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Großfluchhafen BERWarnung landete im Müll

Zwei Jahre vor dem ersten Spatenstich gab es eine schriftliche Warnung vor einer "Investitionsruine". Pirat Martin Delius kritisiert fehlende Prüfung.

Zu diesem Zeitpunkt hätte man noch ohne Milliardenschaden aufhören können Bild: dpa

Flughafengesellschaft und Senatskanzlei wurden schon lange vor dem ersten Spatenstich vor umfangreichen Problemen am BER gewarnt. „Es wird befürchtet, dass die veranschlagte Investitionssumme von 1,983 Milliarden Euro nicht ausreichend sein wird“, heißt es in einem internen Papier, das die taz jetzt veröffentlicht. Das Dokument wurde knapp zwei Jahre vor dem ersten Spatenstich verfasst. Darin heißt es, der Bau drohe eine „Investitionsruine“ zu werden. Und tatsächlich: Aus den rund 2 Milliarden Euro wurden bisher 5,4 Milliarden Euro für den Flughafen, und ein Ende ist noch nicht in Sicht.

So deutlich die Aussagen in dem Dokument sind, so unklar ist sein Charakter. Wer es ursprünglich verfasst hat, ist nicht bekannt. Im Mai 2005 muss sich das Dokument in der Flughafengesellschaft befunden haben, denn von dort aus wurde es zu diesem Zeitpunkt an die Senatskanzlei des Regierenden Bürgermeisters und BER-Aufsichtsratsvorsitzenden Klaus Wowereit gefaxt. Zu erkennen ist das an der Fax-Absendeerkennung. Von der Senatskanzlei erhielt die taz das Dokument jetzt durch einen Antrag auf Akteneinsicht nach Informationsfreiheitsgesetz.

Kein Briefkopf, keine Unterschrift

Das Dokument hat 13 Seiten, keinen Briefkopf, keine Unterschrift, nur das rätselhafte Kürzel „B.A.C.“. Der Titel: „Anmerkungen zur Ausbauplanung und Finanzierung des Flughafens Schönefeld“. Der Verfasser weist auf verschiedene Probleme hin, die aus seiner Sicht bestehen.

„Aus Gründen der öffentlichen Finanzierung müssen Dimension und Einzelheiten der Planung hinterfragt werden“, so der Appell auf Seite 2. „In der Vergangenheit wurden zu unbedarft öffentliche Fördermittel in gescheiterte Großprojekte gesteckt“, heißt es. Beim Flughafen-Neubau „besteht das Risiko, dass die Länder Berlin und Brandenburg auf den bislang nicht abgesicherten Investitionen in Höhe von rd. 1,5 Milliarden Euro sitzen bleiben“.

Überdimensiioniertes Terminal

Der Verfasser kritisiert die teure Ausstattung des Flughafens mit ungewöhnlich vielen Landebrücken, den aufwändigen Bau eines Bahnhofs direkt unter dem Terminal, die Vernachlässigung von Geschäftsfliegern. Zwar steht in der Unterlage nichts zum Dauerproblemthema Brandschutz. Doch der Verfasser kritisiert, das Terminal sei überdimensioniert. Er fordert die Trennung des Flugverkehrs auf „ein von der Stadt schnell erreichbares Hauptterminal“ und ein zweites Terminal für Billigflieger. Ein wesentliches Problem heute mit der Brandschutzanlage ist, dass sie wegen der Größe des Terminals zu groß und unübersichtlich ist.

Und noch einen Vorschlag hat der Verfasser: „Durch eine bedarfsgerechte Verkürzung der südlichen Start-/Landebahn kann insbesondere die Fluglärmbelastung im Bereich der Ortschaft Blankenfelde reduziert werden, so dass hier erheblich geringere Lärmschutzmaßnahmen finanziert werden müssen.“ Laut dem in dieser Woche veröffentlichten Sachstandsbericht warten noch mehr als 23.000 Haushalte auf ausreichenden Schallschutz. Bislang hat erst etwa jeder zwölfte der 25.500 berechtigten Haushalte vom Flughafen die nötigen Papiere erhalten, um Handwerker zu beauftragen.

Delius: Verfasser vermutlich ein Insider

Der Vorsitzende des BER-Untersuchungsausschusses, der Piraten-Abgeordnete Martin Delius, meint: „Die Vermutung liegt nahe, dass das ein Insider aus dem Projekt verfasst hat.“ Ihn hätte „vor allem überrascht, dass da das Jahr 2004 drauf steht. Jetzt im Nachhinein sieht man ganz klar das Problem, hier an dieser Stelle überhaupt einen Großflughafen zu bauen. Aber offenbar gab es auch schon vor Baubeginn erhebliche Kritik.“ Er kritisiert: „Das ist ein verfehlter Umfang, der sich wie eine Kaskade durch das ganze Projekt zieht. Es wurde immer weitergemacht, ohne solche Hinweise ernsthaft zu prüfen.“

Nach Ansicht der Flughafengesellschaft war das auch nicht nötig. In dem Papier gebe es „erhebliche gutachterliche Mängel“, es sei eine „bloße Aneinanderreihung von Meinungen, welche weder durch Fundstellenangaben oder Statistiken belegt, noch durch Verwendung oder Darstellung wissenschaftlich anerkannter Vorgehensweisen fundiert begründet werden“, heißt es in einer Stellungnahme der Flughafengesellschaft. Und was ist mit dem Dokument damals passiert? „Das Schriftstück befindet sich nicht in der Archivierung.“ Sprich: Es wurde entsorgt.

Delius kommt das seltsam vor: „Dass die Flughafengesellschaft das Dokument damals an den Regierenden Bürgermeister gefaxt hat, zeigt ja, dass sie die Kritik darin für maßgeblich gehalten hat.“

Wer hat sachdienliche Hinweise über den Verfasser dieses Dokuments? Melden Sie sich unter heiser@taz.de oder 030/25902-140

Die Vorgeschichte zu diesem Artikel: Auskunftsklage gegen die Flughafengesellschaft

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1 Kommentar

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  • Nichts gelernt, die Verantwortlichen - insbesondere auch die "Grünen" bei Stuttgart 21. Noch wäre das Immobilienprojekt mit begrenztem Schaden zu stoppen - aber nein, auch die grünen Blumenstraußwedler, allen voran Kretschmann und Kuhn, tun so als ob man weitermachen müsse. Denn die Regel bei diesen Marodeuren ist eben NICHT: "aus Gründen der öffentlichen Finanzierung müssen Dimension und Einzelheiten der Planung hinterfragt werden“ - man kann als Politiker ja, ohne belangt zu werden, mit der Schulter zucken, sagen der Käse sei gegessen und das Geld aus der öffentlichen Hand herausschlagen und gleichzeitig Sparen predigen.