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Archiv-Artikel

Große Gegner

Bloß dem eigenen Anspruch nach gescheitert: Das Metropolis ehrt Peter Watkins mit seinem Film „La Commune (Paris 1871)“ und zahlreichen Gästen

Ein ganzes Regisseursleben lang hat Peter Watkins darum gekämpft, aus dem Fernsehen ein demokratisches Medium zu machen. Doch sein im Jahr 2001 entstandener Film La Commune (Paris 1871) wird vielleicht der letzte bleiben. Denn seinen Kampf sieht Watkins, wie er nicht ohne Selbstmitleid sagt, als gescheitert an. Es könnte allerdings daran liegen, dass er seinen Gegner zu groß macht: „Das Fernsehen hat der Gesellschaft totalitäre Erzählstrukturen aufgezwungen.“ Das, was täglich über die Bildschirme unzähliger Haushalte flimmert, versucht er mit dem Begriff der „Monoform“ zu fassen. Und die verkenne „die unendlichen Möglichkeiten des Publikums und unterschätzt seine Reife“.

Das englische Publikum entdeckte den damals 28-jährigen im Dezember 1964, als BBC 1 einen Film über die Schlacht von Culloden ausstrahlte. Anstelle eines amtlichen Historienschinkens über den Kampf der Truppen des Herzogs von Cumberland gegen die des Schotten Charles Edward Stuart lieferte Watkins mit Culloden einen Angriff gegen den Imperialismus in der Mitte des 20. Jahrhunderts. Indem er einen Fernsehreporter die Teilnehmer der Schlacht interviewen ließ, begehrte er zugleich gegen die Methoden des staatlichen Fernsehens auf. Der im Jahr darauf entstandene War Games, eine heftige Anklage gegen die Manipulation von Informationen über die atomare Aufrüstung, rief dann bereits heftige Gegnerschaft auf den Plan. Der Film wurde, wie weitere unter schwierigen Bedingungen zustande gekommene Projekte Watkins, niemals gesendet: „unzumutbar“, urteilten die Programmdirektoren.

Seiner Methode blieb Watkins bis heute treu. Auch von der Commune erfahren die Zuschauer durch die Augen verschiedener Fernsehreporter, die wie Zeitreisende der Erhebung der Pariser Arbeiter im Jahr 1871 filmen und die Teilnehmer interviewen. Ihre Konkurrenz ist das staatliche Fernsehen der monarchistischen Nationalversammlung. Wie nebenbei und mit erheblichem humoristischen Mehrwert spielt Watkins dessen manipulative Methoden gegen die demokratischen einer unabhängigen Berichterstattung aus, die für die Aufständischen Partei ergreift. Seine mehr als 220 Darsteller suchte sich Watkins in der französischen Bewegung von Arbeitslosen und Sans Papiers zusammen, die nicht lange Zeit zuvor durch große Demonstrationen auf sich aufmerksam gemacht hatte. Vor laufender Kamera brechen die als Kommunarden kostümierten Darsteller wiederholt aus ihren historischen Rollen aus, erzählen von ihren Problemen mit den Deregulierungen der Gegenwart, mit der Globalisierung der Ökonomie; algerische Aufständische vom Ende des 19. Jahrhunderts wandeln sich zu Antirassisten am Ende des Jahrtausends. Watkins entgeht dabei sowohl der Falle eines melancholischen Rückblicks auf die schließlich blutig niedergeschlagene Pariser Commune wie auch der eines historischen Kurzschlusses zwischen Gestern und Heute.

La Commune liegt in einer fürs Fernsehen gedachten gut fünfeinhalb Stunden langen und in einer „nur“ zwei Stunden und fünfzehn Minuten umfassenden kurzen Version fürs Kino vor. Angesichts der Schwierigkeiten des Regisseurs, mit seinen in der Regel überlangen Filme einen Sendeplatz zu ergattern, ist es nur konsequent, dass das Metropolis nun den Film in seiner vollen Länge präsentiert. Für Pausen und Verpflegung ist gesorgt. Aus Paris sind einige seiner Darsteller angereist, um von der Arbeit mit Watkins und ihrem bis heute andauernden Engagement zu berichten. Der Nachmittag wird sich jedenfalls lohnen.

Christiane Müller-Lobeck

Sa, 16 Uhr, Metropolis