Große Antifa-Demo in Berlin: Friedliches Feuerwerk der Linken
Bei der Erinnerungsdemo für den von Nazis ermordeten Silvio Meier protestieren über 2.000 Menschen gegen rechte Gewalt. Einzelne Flaschenwürfe. Polizei stand unter Beobachtung kritischer Juristen.
Am Ende klingt sogar die Polizei erleichtert. Es ist ruhig geblieben, im Großen und Ganzen auf der jährlichen Demonstration in Friedrichshain zum Gedenken an den Hausbesetzer und Antifaschisten Silvio Meier, der vor 17 Jahren von Neonazis getötet wurde. Im Vorfeld war von mehreren Seiten eine Eskalation zwischen Demonstranten und Polizei befürchtet worden. Der Grund: Die Festnahme eines mutmaßlichen Autoanzünders, in deren Anschluss Zweifel an dem Vorgehen der Beamten bei zwei Hausdurchsuchungen laut wurden (taz berichtete).
Doch bei den Demonstranten überwiegt am Samstag Abend die positive Stimmung, und auch die Polizei hält sich weitgehend zurück. Während die Veranstalter 3.000 Teilnehmer zählen, spricht die Polizei im Anschluss von 2.000, selbst das wären immer noch deutlich mehr, als die Organisatoren erwartet hatten.
"Wir sind eine richtig große Demonstration und das ist super", ruft die Rednerin, eine halbe Stunde nachdem sich der Zug in Bewegung gesetzt hat. Auch als in der Liebigstraße Antifas den Demozug mit Feuerwerk von den Häuserdächen begrüßen, jubelt und applaudiert die Menge.
Die Demonstranten, unter ihnen die Bundestagsabgeordneten Christian Ströbele (Grüne) und Gesine Lötzsch (Linkspartei), ziehen auf zahlreichen Schleifen durch den Bezirk. Erste Station ist die Großraumdiskothek Jeton an der Frankfurter Allee. Mit einer Zwischenkundgebung erinnert die Rednerin hier an einen Vorfall im Juli, bei dem ein 22-Jähriger von Neonazis bewusstlos geschlagen wurde - die Schläger sollen Gäste in der Diskothek gewesen sein. "Friedrichshain darf nicht zu einem Erlebnispark rechter Gewalt werden", fordert sie unter dem Jubel der Demonstranten. Die Polizei hat das Gebäude vorsorglich weiträumig mit Mannschaftswagen abgesperrt.
Die meisten der Teilnehmer sind jung, deutlich jünger als es Silvio Meier heute gewesen wäre, viele so jung, dass sie seinen Tod nicht miterlebt haben. "Ich war damals ein Jahr alt", sagt eine Demonstrantin. Ihre Freundin bekräftigt, dass es ihr aber trotzdem um das Gedenken geht. "Und natürlich um rechte Gewalt allgemein."
Doch auch die Geschehnisse der letzten Tage haben ihre Spuren hinterlassen. "Freiheit für Tobias" fordern zahlreiche Plakate mit Blick auf den vor wenigen Tagen festgenommen mutmaßlichen Autoanzünder. Bei einer weiteren Kundgebung in der Liebigstraße kritisieren Redner aus dem Hausprojekt in der Nummer 34 das Vorgehen der Polizei nach der Festnahme. "Gegenstände wurden zerstört, Menschen verletzt", das ganze sei ohne Durchsuchungsbefehl abgelaufen.
Am Rande der Veranstaltung sind immer wieder Menschen mit gelben Armbinden zu sehen, einige haben sich Schilder an die Jacke geheftet. "akj - Arbeitskreis kritischer Juristinnen und Juristen" steht darauf, eine Arbeitsgruppe an der Humboldt-Universität (HU). Den Aktivisten vom akj und ihren Kollegen vom Komitee für Grundrechte und Demokratie geht es darum, das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit zu schützten. Sie wollen daher vor allem die Polizei kontrollieren - und zum Beispiel dokumentieren, wenn die Beamten etwas bemängeln, das laut Auflagenbescheid nicht verboten ist.
Einer der Aktivisten ist Michael Plöse, der die Demonstration gemeinsam mit einer Kollegin beobachtet. Er schätzt, dass es die zehnte Demonstration ist, die er beobachtet, er hat Routine. Mit Zettel und Stift läuft er durch die Menge, notiert, was wann und wo passiert. "Auch wenn etwas jetzt noch nicht wichtig ist, kann es später wichtig werden", sagt er. Insgesamt sind über 20 Demobeobachter dabei.
Als die Veranstalter die Demonstration schließlich auflösen - vorzeitig, um zu erschweren, dass Polizisten nach der Abschlusskundgebung Demonstranten festnehmen - verzeichnet die Polizei noch "einige Flaschen und Steinwürfe", die aber schnell wieder abgeflaut seien. Es habe etwa zehn Festnahmen gegeben.
Die Auswertung der Beobachter: Leichtfertiger Einsatz von Pfefferspray und vereinzelt brutale Festnahmen, vor allem zum Ende. Insgesamt sei die Demo aber "friedlicher und ungestörter" verlaufen, als viele zuvor beobachtete Veranstaltungen. Es zeige sich daher, dass Versammlungsfreiheit am besten "durch die Abwesenheit staatlicher Reglementierung" zu erreichen sei.
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