: Groß und stark
Überbegabtes Kind: Der Anti-Folker Adam Green machte im Berliner Hebbel Theater sein Publikum glücklich
„I’m a big strong man!“, grölt Adam Green gleich zweimal hintereinander. Die Arme hievt er dabei über seinen Kopf wie ein Champion beim Posing im Boxring. Vor ihm, im ausverkauften Saal des Hebbel-Theaters in Berlin, jubelt das Publikum. Junge Menschen, die sich im gepflegten Anti-Style – mit zerwuschelten Haaren, hässlichen Brillen und schlecht sitzenden Klamotten– sichtbar Mühe geben, eine noch größere Freakshow abzugeben als das, was sie auf der Bühne geboten bekommen.
Was natürlich nicht funktioniert, denn gegen den New Yorker Anti-Folker von den Moldy Peaches hat man es schwer. Die Blicke hängen gierig an seinen vollen Lippen und üppigen Locken, jede der linkischen Bewegungen, zu denen er seinen unförmigen Körper zwingt, wird von spitzen Lustschreien aus dem Saal flankiert.
Seine Arme werden schwer, sie fallen neben die breiten Hüften und die X-Beine. Wie umgeknickte Äste baumeln sie dort. Green wartet, bis der Jubel verebbt, dann singt er weiter seine Biestigkeiten – von Sex mit Mädchen ohne Beinen, von seinen „Nazi friends“, lügenden Politikern und der hinterlistig grinsenden Jessica Simpson, dem US-Pendant zu deutschen Bühnenplagen wie Yvonne Catterfeld oder Jeannette Biedermann. Für solche Texte wird er geliebt: Die Leser der Spex wählten sein Album „Friends of Mine“ jüngst auf Platz 4 ihrer Jahrescharts und Charlotte Roche lobte den 22-Jährigen als „einen der besten Künstler der Welt“.
Auf der Bühne weiß Green die Aufmerksamkeit komplett auf sich zu ziehen. Die vier Musiker hinter ihm wirken wie gecastete Sessionmusiker, denen die ganze Sache eher unangenehm ist. Als sie vorgestellt werden, schauen sie betreten zur Seite oder streichen sich mit einem gequälten Grinsen die speckigen Haarsträhnen hinters Ohr. Und während der Rhodes-Pianist die luxuriösen Streicherarrangements, die „Friends of Mine“ krönen, nachspielen muss, weil aus Kostengründen leider kein Streichquartett mit eingeflogen werden kann, singt Green mit seinem beruhigend sonoren Bass, tänzelt albern herum, bückt sich auffällig oft, damit sein Po auch schön unter dem Jackett hervorlugen kann, und rollt mit seinen großen Rehaugen. So macht er Menschen glücklich. Dennoch wirkt er dabei irgendwie unterfordert – wahrscheinlich könnte er parallel noch, wie in seinen Videos, Pingpong spielen oder Bruschetta verspeisen. Adam Green ist eigentlich ein überbegabtes Kind, das aus Trotz vor der Langeweile seiner Umwelt einen auf Idiot macht und dafür hin und wieder mit Zwangsjacke bestraft wird.
Zur zweiten Zugabe singt er dann „The Crystal Ship“ von den Doors. Der Jubel ist nochmals euphorischer als zuvor, ein Trampeln und ein Pfeifen, doch durch die Lautsprecher ertönt bereits Johnny Cash, als Rausschmeißer. Morrison und Cash zum Finale –das kann kein Zufall sein, das ist zweifellos die Ahnengalerie, in die sich Green einreiht. Wahrscheinlich trommelt er sich hinter der Bühne noch auf die Brust: „I’m a big strong man!“ Vielleicht hat er dabei sogar Schaum vorm Mund. JAN KEDVES