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■ Griechische LyrikerinnenNach Sappho

Wenn von moderner griechischer Lyrik die Rede ist, denkt man an Männer, die schon tot sind: Seferis, Elytis, Ritsos. Die Lyrik dieser Großen wirkt schon fast wie ein in der Gegenwart versunkenes antikes Werk. Da haben es junge Namen schwer. Und Frauen? Wer hat schon jemals etwas von griechischen Lyrikerinnen nach Sappho gehört?

Hierzulande ist das Entdecken zeitgenössischer Lyrik kleinerer Sprachen seit den sechziger Jahren fast zum Erliegen gekommen. Statt über ihren Tellerrand zu schauen, fleißig zu übersetzen und so Anregungen zu gewinnen, üben sich die meisten jungen deutschen Dichter in der beschaulichen Klage, daß es kaum noch ein Publikum für ihre Verse gebe. Da kann der Versuch kleiner Verlage, gegen den Zeitgeist zu arbeiten und gerade die oft sehr reichhaltige Lyrik kleinerer Sprachen in deutscher Übersetzung an die hiesigen Leser zu bringen, nicht hoch genug geschätzt werden.

Die im Kölner Romiosini Verlag erschienene Anthologie „Und ich, die nur wollte, ich – Griechische Lyrikerinnen der Moderne“ ragt unter den Publikationen der letzten Jahre wie ein Kleinod heraus. Vorgestellt werden sieben Lyrikerinnen aus drei Generationen: die älteste, Zoi Karelli, geboren 1901, die jüngste Alexandra Plastira, geboren 1954. Sieben voneinander sehr verschiedene Stimmen, denen jedoch eines gemeinsam ist: Angefangen bei Karelli, stärker bei der 1939 geborenen Katerina Angelaki-Rooke und ganz deutlich bei den drei jüngsten Autorinnen, Maria Laina, Jenny Mastoraki und Alexandra Plastira, wird zwischen Alltag, weiblicher Erfahrung, männlich beherrschter Tradition und den großen Themen Liebe und Tod eine Sprache geschaffen, die voll moderner Brüche und Neuschöpfungen ist.

Dabei ist die Sprache bei Angelaki-Rooke schnörkellos direkt und körperlich, bei Jenny Mastoraki dagegen an archetypische Bilder angelehnt, stellenweise hermetisch überhöht. Die Herausgeberin und Übersetzerin der Auswahl, Dadi Sideri, schreibt in ihrem Nachwort: „In den Gedichten der jüngeren Lyrikerinnen ist der Bruch mit kollektiven Verbindlichkeiten spürbar und eine bis zur äußersten Konsequenz durchgeführte Wendung nach innen, die eine resignative Isolation zur Folge hat. Nichtsdestoweniger ist uns eine solche Dichtung ein Ort der Sammlung, des Nachhorchens und – warum auch nicht – der Irritationen.“

Dadi Sideri ist selbst Lyrikerin und lebt seit 1968 in München. Ihrer einfühlsamen und guten Übersetzung ist es zu verdanken, daß die stilistischen Eigenheiten der Dichterinnen auch in der deutschen Sprache nicht verlorengegangen sind.

Zafer Șenocak

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