Griechenland plant Volksabstimmung: Die große Unsicherheit
SPD und Linke begrüßen den griechischen Plan, ein Referendum durchzuführen. Die Regieriungsparteien CDU und FDP zweifeln an der Schuldenschirmpolitik.
BERLIN dpa | Ein Gipfel kommt selten allein. Kurz nach der Ankündigung des griechischen Ministerpräsidenten Giorgos Papandreou, ein Referendum zu den Sparpaketen durchzuführen, beschlossen Deutschland, Frankreich und die Spitzen von EU, EZB und IWF, die neu aufgeflammte Griechenlandkrise noch vor dem G-20-Gipfel zu behandeln. Auf einem Sonderspitzentreffen soll es bereits heute in Cannes um Wege zur "umgehenden Umsetzung" der Vereinbarungen des EU-Gipfels aus der vergangenen Woche gehen.
Die Ankündigung Papandreous hatte alle überrascht. "Das bringt große Nervosität und große Unsicherheit zu bereits bestehender großer Unsicherheit", kommentierte der Eurogruppen-Chef Jean Claude Juncker.
Die Reaktionen deutscher Politiker reichten von Verständnis für den Schritt Papandreous bis zu der Forderung eines Euro-Austritts Griechenlands. SPD-Chef Sigmar Gabriel erklärte, der Ministerpräsident und die Sozialdemokraten Griechenlands seien dabei, "die notwendigen und schmerzhaften Reformschritte, die mit der EU vereinbart sind, durchzusetzen".
SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier sagte, Papandreou gehe mit seiner Entscheidung einen "riskanten, aber mutigen Weg".
Linksfraktionschef Gregor Gysi meinte, Papandreou habe offenbar erkannt, dass er bisher "gegen die Bevölkerung" regiert habe. Es sei ein wichtiges Signal, die Griechen erstmals in die Euro-Rettungspolitik einzubeziehen.
Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin sprach von einer "Flucht nach vorne" durch Papandreou. Die Konservativen in Griechenland hätten das Desaster im Wesentlichen mit verursacht, beteiligten sich nun aber nicht an den Aufräumarbeiten. Vor diesem Hintergrund setze Papandreou auf eine "Politik des alles oder nichts".
Der CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach hingegen stellte weitere Hilfen für die Griechen in Frage: "Solange es völlig offen ist, wie es in Griechenland politisch weitergeht, kann das Land nicht erwarten, dass ständig weitere Milliardenhilfen geleistet werden."
Am weitesten gingen die Reaktionen der FDP. Deren Fraktionsvorsitzende Rainer Brüderle meinte, wenn Griechenland in der Volksabstimmung nein sage "zur Bekämpfung seiner Strukturschwächen, zur Anpassung in der Wettbewerbsfrage, zum Reformprozess, dann wird es meines Erachtens zu einem Staatsbankrott kommen".
Für einen Euro-Austritt Griechenlands sprach sich FDP-Finanzpolitiker Frank Schäffler aus. Das angekündigte Referendum sei ein Beleg dafür, "dass die Schuldenschirmpolitik nicht mehr funktioniert", sagte er.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Sourani über das Recht der Palästinenser
„Die deutsche Position ist so hässlich und schockierend“
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Autounfälle
Das Tötungsprivileg
Spardiktat des Berliner Senats
Wer hat uns verraten?
Israel und Hisbollah
Waffenruhe tritt in Kraft
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich