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Archiv-Artikel

Grenzcamp polizeilich begrenzt

Das Antirassistische Grenzcamp in Köln endet mit zahlreichen vorübergehenden Festnahmen: Beim Protestieren unterliefen den CamperInnen angeblich 84 Straftaten

Der Camp-Sprecher: „Die Polizei hat das gemacht, was die Nazis gefordert haben“

KÖLN taz ■ Der Abschiedsbesuch war unwillkommen: Zum Ende des Antirassistischen Grenzcamps, das dieses Jahr vom 31. Juli bis zum 10. August am Kölner Rheinufer stattfand, hat ein massives Polizeiaufgebot das Camp durchsucht. Nach Polizeiangaben wurden 360 der größtenteils jugendlichen Aktivisten festgenommen, nachdem sie sich geweigert hatten, ihre Personalien feststellen zu lassen. Alle sind mittlerweile wieder auf freiem Fuß.

Wie Polizeipräsident Klaus Steffenhagen am Samstagnachmittag sagte, hatten die Grenzcamper, die im Lauf der vergangenen Woche vor allem gegen die EU-Flüchtlingspolitik „demonstrieren, provozieren und irritieren“ wollten, bei ihren Aktionen insgesamt 84 Straftaten begangen, darunter Landfriedensbruch, Widerstandsdelikte, Sachbeschädigungen und Verstöße gegen das Versammlungsgesetz.

Einzelne Teilnehmer sollen nach Polizeiangaben am Samstag am Rande einer rechtsextremen Demonstration die Einsatzkräfte mit Steinen und mit Fäkalien gefüllten Beuteln beworfen haben. Die Polizei setzte Pfefferspray ein. Eine Versammlung innerhalb des Camps sei daraufhin aufgelöst worden, hieß es.

Ein Polizeisprecher begründete die zahlreichen Festnahmen damit, dass die Polizei die in der Woche begangenen Straftaten auf Video festgehalten habe und jetzt die Namen zu den Gesichtern brauche. Die Daten derjenigen, die keine Straftaten begangen haben, würden wieder gelöscht, versicherte er.

Die Polizei hatte das Camp auf den Rheinwiesen an der Kölner Südbrücke am Samstagmorgen abgesperrt. Nicht zuletzt wegen einiger Flüchtlinge in ihren Reihen, die mit ihrer Teilnahme am Grenzcamp möglicherweise gegen ihre Residenzpflicht verstoßen haben, lehnten es die meisten Grenzcamper ab, sich der Polizei zu stellen. Als die Polizei das Wasser abstellte, weil mit Wasser gefüllte Flaschen auf Polizeibeamte geworfen worden seien, warfen die Grenzcamper ihr wegen der Sommerhitze „vorsätzliche Körperverletzung“ vor. Die Polizei wies gegenüber der Presse darauf, dass sie das Camp mit kleineren – und damit als Wurfgeschosse ungefährlicheren – 0,5-Liter-Wasserflaschen beliefere, und stellte schließlich das Wasser doch wieder an. Der Strom im Camp war laut Grenzcamp ebenfalls abgestellt, die Polizei bestritt aber energisch, dafür verantwortlich zu sein.

Edith Müller, grüne Landtagsabgeordnete aus Köln und am Nachmittag zufällig bei einer Fahrradtour vorbeigekommen, bemühte sich bis spät in die Nacht, mäßigend auf alle einzuwirken. „Angesichts der friedlichen Situation am Nachmittag erscheint mir das Vorgehen der Polizei unverhältnismäßig“, kritisierte sie.

Grenzcamp-Aktivisten nannten die Begründungen der Polizei „vorgeschoben und fadenscheinig“. In Wirklichkeit gehe es darum, das politisch unliebsames Camp, das staatlichen Rassismus anprangere, zu kriminalisieren. Besonders übel stieß ihnen auf, dass die Polizei sie mit der Absperrung daran gehindert habe, gegen eine Demonstration von Rechtsextremisten auf die Straße zu gehen.

Tatsächlich hatte Steffenhagen die Einrichtung von „Kontrollstellen“ am Grenzcamp mit zu erwartenden Straftaten bei der Nazi-Demo gegen das Grenzcamp, zu der nach Polizeiangaben 60 Personen kamen, gerechtfertigt. Die Grenzcamper werfen der Polizei jetzt vor, genau das gemacht zu haben, „was die Nazis gefordert haben“.

DIRK ECKERT