Greenpeace darf von "Gen-Milch" sprechen: Polemik gegen Müller-Konzern erlaubt
Greenpeace darf Müller-Milch als "Gen-Milch" bezeichnen, urteilt das Verfassungsgericht. Bei Slogans müssten Missverständnisse hingenommen werden, so die Richter.
Das Bundesverfassungsgericht hat eine Klage der Unternehmensgruppe Theo Müller abgelehnt. Der Konzern hatte sich beschwert, dass Greenpeace die Produkte von Müller-Milch als "Gen-Milch" bezeichnen darf. Doch die Verfassungsrichter bestätigten jetzt ein entsprechendes Urteil des Bundesgerichtshofs.
Der Begriff "Gen-Milch" sei ein substanzarmer Slogan, so die Richter, und bedürfe der Ergänzung durch weitere Informationen. Korrekt habe Greenpeace im Kontext der Kampagne aber darauf hingewiesen, dass nicht die Milch genverändert sei, sondern Müllers Kühe mit genverändertem Mais gefüttert würden.
Selbstverständlich ist diese Entscheidung nicht, denn beim Schutz mehrdeutiger Äußerungen hat das Verfassungsgericht in den letzten Jahren einen Zickzack-Kurs gefahren.
Bei der Strafverfolgung von Äußerungen verlangt das Verfassungsgericht traditionell, dass die am wenigsten strafbare Interpretation einer Äußerung zugrundegelegt wird. So soll verhindert werden, dass eigentlich harmlosen Inhalten von Ermittlern und Gerichten ein strafbarer Sinn unterstellt wird.
Seit 2005 gilt aber für Unterlassungsansprüche etwas anderes. Im so genannten Stolpe-Beschluss stärkte Karlsruhe die Personen, die von einer Äußerung betroffen sind. Sie können seitdem bei mehrdeutigen Inhalten eine Klarstellung verlangen, dass die Aussage im noch zulässigen Sinne gemeint war.
Hierauf berief sich nun Müller-Milch. Der Begriff "Gen-Milch" sei mehrdeutig und werde von vielen Verbrauchern so verstanden, dass hier genveränderte Milch verkauft werde. Greenpeace solle den Slogan deshalb unterlassen oder so verändern, dass der Verbraucher sofort den Bezug aufs Tierfutter erkenne.
Doch die Verfassungsrichter stärkten nun wieder die Meinungsfreiheit gegenüber den Persönlichkeitsrechten. Bei Slogans und Schlagworten müssten Missverständnisse hingenommen werden. Die Meinungsfreiheit schütze auch die polemisierende Pointierung. Die Stolpe-Rechtsprechung gelte nur für mehrdeutige Äußerungen, die aus sich heraus verständlich sind und keiner Ergänzung bedürfen.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Alles zur Bundestagswahl
Lindner und die FDP verabschieden sich aus der Politik
Sauerland als Wahlwerbung
Seine Heimat
Pragmatismus in der Krise
Fatalismus ist keine Option
Erstwähler:innen und Klimakrise
Worauf es für die Jugend bei der Bundestagswahl ankommt
Totalausfall von Friedrich Merz
Scharfe Kritik an „Judenfahne“-Äußerungen
Wahlergebnis der AfD
Höchstes Ergebnis für extrem Rechte seit 1945