: Grauhausahamkeiheit
■ Enttäuschender Wiederbelebungsversuch an Wolfgang Amadeus Mozarts Spätwerk „Titus“ im Jungen Forum
Der Jüngling Sextus verzweifelt im Strudel der Gefühle: Er kann sich der Liebe der schönen Vitellia nur sicher sein kann, wenn er ihre ehrgeizigen Pläne erfüllt und den Kaiser Titus umbringt. Titus ist aber Sextus' bester Freund - das Drama scheint gewiß. Aus dieser klischeeträchtigen Ausgangslage, eine spannende Problematik zu entwickeln, ist Andrea Raabe in ihrer DiplominszenierungTitus leider nicht gelungen.
Die Opera seria des späten Mozart nach 200 Jahre wieder aufzubereiten, ist sicher nicht einfach. Das Bühnenbild (geometrisch kühl von Johannes Philipp Speder) und die zeitlosen schlichten Kleider von Andrea Riedel ließen vermuten, daß es sich um eine moderne Interpretation handeln sollte. Dieser Eindruck wurde aber durch die Regie nicht bestätigt: Auf konventionelle Art und Weise wurde eine Geschichte nacherzählt, der die Darsteller durch große Posen und verzweifeltem Auf-den-Knien-Rutschen versuchten, Bedeutung zu verleihen. Nach vorne geneigte Oberkörper und verzweifelt in den Nacken geworfene Köpfe wurden zu Lieblingsposen in emotionalen Ausnahmesituationen, in denen die „Grauhausahamkeiheit“ des Lebens angeklagt wurde. Daß zwei der drei männlichen Hauptrollen mit zierlichen Frauen besetzt wurden, die ihre durchweg größeren weiblichen Counterparts bei Liebeszenen nur schräg von unten anhimmeln konnten, hätte in einer stimmigen Inszenierung nicht gestört, trug hier aber nicht unerheblich zur unfreiwilligen Komik bei.
Der gleichzeitig singende wie treppenerklimmende Sextus war einer der wenigen überraschenden Regieeinfälle, wirkte allerdings etwas ungeübt. Auch musikalisch gab es wenige Glanzlichter: Unter Arne Willimczik plätscherte es aus dem Orchestergraben eintönig vor sich hin. Gesanglich ließen nur Julia Henning als Sextus, Jasmin Ürer als Annius und Dagmar Meiler als Servilia in einigen Passagen aufhorchen. Spekulationen über die Aussage der Inszenierung werden auch durch das offene Ende nicht aufgelöst: Kaiser Titus verzeiht den Verschwörern. Das Publikum verzieh auch Einiges und klatschte begeistert.
Birgit Maaß
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