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Archiv-Artikel

Grauer Dienstag

Der Bedroomproducer Dangermouse mixte JayZs „Black Album“ mit dem Weißen Album der Beatles und wurde dafür von der Musikindustrie mit Klagen bedroht

Was passiert, wenn man das Weiße Album der Beatles mit dem „Black Album“ des US-Rappers Jay-Z kreuzt? Man bekommt ein „Grey Album“, viel Ärger mit der Musikindustrie und eine Unterstützerkampagne im Internet.

Der Name des amerikanischen HipHop-Produzenten Dangermouse war bisher höchstens in Rap-Insider-Zirkeln bekannt. Doch auf seiner neuen Platte hat er mit Rap-Superstar Jay-Z zusammengearbeitet – allerdings ohne dass der Rapper von der Zusammenarbeit wusste oder sie gewünscht hätte.

Jay-Z hatte vor kurzem eine Version seines „Black Albums“ mit Acappella-Versionen der Platte herausgebracht, damit DJs seine Raps in ihre Mixe integrieren konnten. Genau das tat auch Brian Burton alias Dangermouse: Er mischte Jay-Zs Verse mit Samples aus dem Weißen Album der Beatles. Das Verfahren ist als „Bootlegging“ bekannt: Aus existierenden Stücken werden neue Tracks kombiniert. So sind viele klassische HipHop-Nummern entstanden, etwa „Rapper’s Delight“ von der Sugarhill Gang, das auf dem Basslauf von „Good Times“ von Chic basierte. Allerdings haben dessen Produzenten für die Rechte an dem Song bezahlt, wenn auch erst nach einem Gerichtsverfahren. Das war 1979. Wer heute ein Stück aus fremden Samples zusammensetzen will, muss erst die Rechte klären und bezahlen –ein aufwendiger und teurer juristischer Prozess, der Bedroomproducer wie Dangermouse finanziell und logistisch überfordert. Ohnehin hätte er das Recht, Beatles-Songs zu verwenden, nie bekommen: Anfragen lehnen die Nachlassverwalter der Fab Four regelmäßig ab.

Davon ließ sich Dangermouse nicht abhalten. Sein „Grey Album“ erschien in einer limitierten Auflage von 3.000 Exemplaren, die vor allem in Plattenläden in Dangermouses Heimatstadt Los Angeles verkauft werden sollten. Die Plattenfirma EMI, die die Rechte der Beatles verwaltet, drohte Dangermouse dann ein kostspieliges Gerichtsverfahren an. Seine Plattenfirma zog das „Grey Album“ zurück – aber plötzlich wurde die Platte auf Ebay und in Internet-Tauschbörsen für 80 Dollar und mehr gehandelt. Zur Verteidigung des Rechts auf Sampling erklärte die Musikaktivisten-Gruppe „Downhill Battle“ den letzten Dienstag zum „Grey Tuesday“. Damit will sie allgemein gegen die Praktiken der großen Plattenfirmen im Allgemeinen protestieren, vor allem aber dagegen, dass „durch das Zurückhalten von Samplerechten die Kreativität kleiner Produzenten eingeschränkt“ würde. Fast 200 Websites schlossen sich an und boten die Platte für 24 Stunden zum Herunterladen an. EMI versendete wieder Abmahnungen. Bei „Downhill Battle“ triumphiert man: Für einen Tag sei das „Grey Album“ die erfolgreichste Platte der Welt gewesen und hätte nach Zahl der Downloads eine Goldene Schallplatte verdient.

Dangermouse äußerte sich zu der Aktion nicht. Aber sein Manager gab bekannt: „Das ‚Grey Album‘ ist ein Wendepunkt. Das Internet macht es fast unmöglich, Verbrauchern etwas vorzuenthalten.“ Auch für Dangermouse dürfte das „Grey Album“ ein Wendepunkt sein. Sein Publicity-Stunt war ein weltweiter Erfolg. Gut möglich, dass er demnächst wirklich Jay-Z oder einen anderen berühmten Rapper remixen darf. TILMAN BAUMGÄRTEL