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Graue Panther kritisieren: Die Altersarmut ist weiblich

Am 9. Juli 1987 war für Ruth-Sylvia Niendorf das Maß ihrer Leiden voll. Die 66jährige erhängte sich in ihrer Wohnung in Berlin-Neukölln. Auslöser für ihren Selbstmord war die Mitteilung einer Mieterhöhung um 73,50 DM. Dreihundert Mark, die ihr dann noch von ihrer Rente geblieben wären, waren zum Leben zu wenig. Die „Grauen Panther“ erklärten den 9. Juli zum Gedenktag für die „Trümmerfrauen“. In bundesweiten Aktionen versuchen sie, auf das Problem der Altersarmut aufmerksam zu machen.

Ruth-Sylvia Niendorf hatte noch wenige Wochen vor ihrem Tod US-Präsident Reagan die Hand geben dürfen und war für ihre „Tapferkeit beim Wiederaufbau Berlins“ öffentlich gelobt worden. Ihr Tod kam in die Schlagzeilen: „Sie wurde verscharrt wie ein Hund (...) Wir sollten uns schämen“ schrieb 'Bild der Frau‘, wohlwissend, daß sich niemand schämt, wenn sich alle schämen sollen.

Bei der Rente sind Frauen systematisch benachteiligt: Im Jahre 1988 betrug die Durchschnittsrente eines Arbeiters 1.250 Mark, die einer Arbeiterin 392 DM. Auch bei den Angestellten ist die Diskrepanz kraß. Während die Männer mit rund 1.692 DM rechnen dürfen, bleibt den Frauen durchschnittlich nur 648 DM monatlich. Der Unterschied zwischen Männern und Frauen erklärt sich nicht nur aus den kürzeren Versicherungszeiten der Frauen, maßgebend ist auch das geringe Einkommen. Denn auch bei gleichen Versicherungzeiten (35 bis 40 Arbeitsjahre werden bei einem „normalen Arbeitnehmer“ zugrundegelegt) schneiden Arbeiter und Angestellte immer noch besser ab als ihre Kolleginnen.

Den Höhepunkt der Armutskarriere erreichen die Arbeiterwitwen ohne eigenen Rentenanspruch: 30,3 Prozent erhielten 1988 eine Rente bis 600 DM, 54 Prozent eine Rente bis 800 DM. Das „letzte Netz“, die Sozialhilfe, nahm jede zehnte Frau aus derGruppe der über 75jährigen in Anspruch. (Im Bundesdurchschnitt sind 5,2 Prozent der Bevölkerung Sozialhilfeempfänger). Wesentlich mehr älteren Menschen als die Statistik ausweist steht aber Sozialhilfe zu. Nach einer Untersuchung aus dem Jahre 1981 - neuere qualifizierte Daten liegen nicht vor - nehmen von 100 Sozialhilfeberechtigten 48 ihren Anspruch nicht wahr, unter ihnen überproportional viele alte Menschen. Kernproblem ist, daß das Sozialamt die Kinder der alten Menschen zu Unterhaltszahlungen heranziehen und sie zwingen kann, ihre Einkommensverhältnisse bloßzulegen.

Die „Grauen Panter“ fordern schon seit Jahren, eine gesetzliche Mindestrente einzuführen, die für Alleinstehende zur Zeit 1.200 DM, für Ehepaare 1.800 DM betragen soll. Aber es bewegt sich nichts.

Christine Weber-Herfort

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