piwik no script img

Graf Adelmann wirbt auf Schrottplatz Söldner an

■ Polizisten und Häftlinge, Grenzschützer und Knaben wollen töten wie ein Mungo, „flink und ruhig“ / Sprößlinge in Kampfmontur und Gestrauchelte mit Umsturzplänen / Ein Panzer ist bereits geordert / Aus weltweiter Verteilung deutschen Kapitals riesiges Betätigungsfeld für die Legionärstruppe erhofft

Von Holger Reile

Rainer Rene Graf Adelmann von Adelmannsfelden ist ein gesprächiger Mensch: „Wissen Sie, ich mache alles ganz offen und mich interessiert es überhaupt nicht, wenn sich die Leute über meine Aktivitäten aufregen.“ Der 38jährige Graf, der mir in seinem Konstanzer Büro gegenübersitzt, handelt mit allem, was sich gewinnbringend verkaufen läßt: mit ungeborenen Kindern und Autoschrott, mit Waffen, Asylanten und Legionären. Doch mit Kleinigkeiten gibt sich Adelmann neuerdings nicht mehr zufrieden. Für seine paramilitärische Gruppe „Bund deutscher Legionäre“, kurz BdL, hat er einen Panzer gekauft, zehn weitere sollen folgen. Der Graf aus dem oberschwäbischen Sentenhard rüstet auf, und lebt mit Gräfin und neun Kindern noch immer von Sozialhilfe und Kindergeld. Seit einer „Panorama“–Sendung, die im Frühjahr über Adelmann und seinen Söldnertrupp berichtet hat, kann sich der Graf über mangelnden Zulauf nicht beklagen. Tagtäglich gehen Nachfragen und Bewerbungen ein. Viele wollen sofort los, bitten darum, doch endlich irgendwo eingesetzt zu werden. Bundesweit hat der BdL knapp 200 zahlende Mitglieder und annähernd 2.000 Interessenten. Überwiegend Bundeswehrsoldaten sind in Adelmanns Personal–Computer gespeichert, ausgemusterte und noch aktive, Gefreite und höhere Dienstgrade. Vor mir stapeln sich Lebensläufe von Menschen, die entweder wegen kleiner Vergehen zwischen die Mühlen der Justiz geraten sind, aber auch solche, die jahrelang in mittlerweile verbotenen Wehrsportgruppen aktiv waren und im BdL eine neue Möglichkeit sehen, „linken Schlawinern“ und „dreckigen Kommunisten“ den Garaus zu machen. Militaristen, Ex–Fremdenlegionäre, Zukurzgekommene, arbeitslose Jugendliche, Rechtsradikale, Abenteurer - eine brisante Mischung. Die meist handgekritzelten Briefe signalisieren sowohl Brutalität und ein Höchstmaß an krimineller Energie als auch Hoffnungslosigkeit und den Glauben an eine allerletzte Chance. „Wir haben nichts mehr zu verlieren“, schreiben zwei Jugendliche, „wir machen alles mit.“ Fast alle haben eine militärische Ausbildung hinter sich, können schießen, sprengen, fallschirmspringen, sind durch Nahkampfschulen gegangen oder haben zumindest mehrere Überlebenslager durchlaufen. „Ich halte Ihren Bund deutscher Legionäre grundsätzlich für eine gute Sache“, schreibt Michael K. aus dem Bayerischen . „Ich gehöre zum engeren Mitarbeiterkreis von Michael Kühnen (Gründer der verbotenen Neonazi–Gruppe „Aktion Nationale Sozialisten“, d.V.) und gelte deshalb allgemein als Rechtsextremist, was mich nicht stört.“ Der ehemalige Unteroffizier bietet sich als „Verbindungsmann zu nationalen Verbänden“ an. Unverblümt umreißt er sein vorrangiges Interesse am BdL: „Ich bin Freiheitskämpfer für die Befreiung der weißen Völker von ihrem Todfeind - dem Zionismus.“ Kein Einzelfall, viele der an Adelmann gerichteten Briefe gehen in die gleiche Richtung (einige sind beistehend dokumentiert, d. Red.). Rechtsradikale Tendenzen im BdL weist der Graf im Gespräch weit von sich: „Wissen Sie, das sind irgendwelche Zwangsvorstellungen von Politikern, Journalisten und wildgewordenen Ermittlungsbehörden, die paar Nazis laufen halt so mit, führende Positionen kriegen die sowieso nicht.“ Der ehemalige Rechtsanwalt und Reserveoffizier im Rang eines Oberleutnants weiß, daß der Versuch, Deutsche „einer ausländischen Macht“ oder einer „militärischen oder militärähnlichen Einrichtung“ zu vermitteln, strafbar ist. Zwar sieht das Strafgesetzbuch für das „Anwerben für fremden Wehrdienst“ eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren vor, doch Edelmann Adelmann schert sich nicht drum: „Das Grundgesetz garantiert jedem Deutschen eine freie Berufswahl und der BdL ist der erste legale Berufsverband dieser Art.“ Über regelmäßig erscheinende Rundbriefe suggeriert Adelmann seiner Klientel, daß mit Auslandseinsätzen bald zu rechnen sei. Von Sicherung „deutscher Industrieanlagen in Afrika“ ist die Rede, oder davon, daß der Präsident von Guinea seinen Palast bewachen lassen will. Auch ein chilenischer Großgrundbesitzer habe angeklopft, um sich seine Ländereien von deutschen Legionären beschützen zu lassen. Das deutsche Kapital ist über die ganze Welt verteilt“, stellt Adelmann fest, „das Betätigungsfeld für meine Truppe ist riesengroß.“ Vorbereitet müßten sie natürlich sein, die deutschen Haudegen, und so bietet der geschäftstüchtige Graf dementsprechende Kurse an. Geübt und trainiert wird in sogenannten „Survival–Camps“. Entweder wird in alten Kiesgruben geschossen, gerobbt und gestochen oder in abgelegenen Gegenden, wie beispielsweise auf einem Gelände in Niederbayern. Ein ehemaliger Fremdenlegionär, Horst Schönbeck, führt dort das Kommando. Adelmann steht mit Schönbeck in ständigem Kontakt und beliefert ihn mit kriegswilligen Zeitgenossen. Der Kölner Fernsehjounalist Heinz Faßbender konnte vor wenigen Monaten beeindruckende Aufnahmen machen: zum Teil wird 14jährigen beigebracht, wie man mit einer Drahtschlinge fachgerecht einen vermeintlichen Gegner um die Ecke bringt. Schönbeck, der außer dem Kriegshandwerk nichts gelernt hat, lebt von diesem „Trainingslager“, die Teilnehmer lassen sich die Ausbildung schließlich was kosten. „Töte wie ein Mungo, flink und ruhig“, lautete das Motto einer Übung im Januar. Am Telefon gibt Schönbeck bereitwillig Auskunft: Das sei doch alles vollkommen legal, das Camp betreibe er schon seit langem, „die Munition liefert der örtliche Schützenverein“. Moralische Skrupel sind auch Adelmann fremd, er kann an der Ausbildung noch Minderjähriger nichts Anstößiges finden: „Denen wird beigebracht, wie man sich tarnt, wie man mit Seilen klettert und natürlich auch, wie man jemanden abmurkst - die sind doch ganz wild aufs Killen.“ „Was regen Sie sich auf“, wundert er sich, „die Eltern liefern ihre Sprößlinge in der Regel in voller Kampfmontur ab, und im Lager kriegen die Jungs halt frühzeitig mit, wie der Hase läuft.“ „Ich habe Zeit, krieg genug Kindergeld und außerdem macht es mir Spaß, wo es geht den Staat zu verscheißern. Ich bin ein Mensch, der sich einfach nur treiben läßt.“ Adelmann skizziert bereitwillig seinen bisherigen Lebensweg: Jura–Studium in München, „schon Vater und Großvater waren Juristen“; Kontakt zur ehemals mächtigen „Bayern–Partei“, dort Redakteur bei der Zeitschrift „Das freie Bayern“. „Ein Chaotenhaufen“, erinnert er sich, „und lauter Greise.“ Diesen Herbst relegierte die SPD ihr Mitglied Adelmann. Mitte der siebziger Jahre eröffnet Adelmann ein Bestattungsunter nehmen, „aber das artete in schwere, körperliche Arbeit aus, ich war abends fix und fertig. Oft mußte ich die Särge allein schleppen und bei zwei Leichen die Woche war nicht genügend Geld zu machen.“ So recht und schlecht fristet er ein Dasein als juristischer Berater. Dann werden die Geschäfte dubios: Er gründet einen Verein nach dem anderen, ernennt sich beispielsweise selbst zum „Generalsekretär des Zentralkomitees für die Allgemeinbefolgung obergerichtlicher Rechtssprechung in Wettbewerbssachen“. Simple Abmahngeschäfte: Er klagt gegen Zeitungsinserenten und Geschäftsleute, denen er für angebliche Wettbewerbsverstöße hohe Gebühren abknöpfen will. Er findet immer wieder Dumme, die zahlen. Über einen anderen Verein, die „Christliche Vereinigung zur Familienförderung“ vermittelt Adelmann ungeborene, ungewollte Babys an adoptionsbereite Familien. Das klappt einige Male - in angeblich 18 Fällen bringt er schwangere Frauen mit kinderlosen Männern zusammen, die die Vaterschaft über ein noch ungeborenes Kind nachträglich anerkennen. Bis zu 30.000 Mark sollen bei so einem Geschäft den Besitzer gewechselt haben. „Unsere Mütter haben gut verdient“, sagt Adelmann, „mir blieben immer nur 5.000 Mark.“ Die Staatsanwaltschaft Konstanz mußte ihre Ermittlungen einstellen, der Graf hatte wieder mal eine Gesetzeslücke entdeckt. Das Gesetz, mit dem die sogenannten Leihmütterschaften geregelt werden sollen, kommt erst nächstes Jahr zu Geltung. Die Idee, eine private Söldnertruppe aufzustellen, kam dem Grafen schon vor Jahren. 1983 leitete er die BdL–Gründung in die Wege. Seitdem sind ihm Staatsanwaltschaft, Kriminalpolizei und Landeskriminalamt auf den Fersen, auch der Bundestag und verschiedene Landtage beschäftigten sich mit des Grafen Söldnern. Dreizehnmal wurde das Adelmannsche Eigenheim im oberschwäbischen Sentenhard schon durchsucht, wurden die Kinder morgens um sechs mit gezogenen Waffen aus den Betten geholt. Sie solle sich von ihrem verrückten Mann trennen, oder die Kinder würden ihr weggenommen, drohte die Polizei der Gräfin. Doch solange der seine absurden Vorstellungen nicht in die Tat umsetzt, kann er tun und lassen was er will. Die Behörden liegen auf der Lauer, warten darauf, daß er einen Fehler macht. Adelmanns neuester Coup wird vom Wirtschaftsministerium argwöhnisch beäugt: Für 80.000 Mark hat er angeblich einen russischen Panzer aus der Bauserie 34 bis 55 gekauft. „Voll munitioniert und einsatzfähig“, erzählt er stolz, „damit kann ich jederzeit einen kleinen Grenzkonflikt entscheiden.“ Klappt die Finanzierung - die BdL–Mitglieder sollen löhnen - will er zehn weitere Panzer dazukaufen. Wo die Panzer stehen, verrät er nicht. „Schreiben Sie - irgendwo im Ostblock.“ Vorsorglich schneidet er aus dem schriftlichen Angebot eines hessischen Waffenhändlers die Panzerstandorte heraus. „Uns sind die Hände gebunden“, erklärt die Pressestelle des Bundeswirtschafsministeriums, „jeder kann im Ausland Panzer kaufen, das ist nicht genehmigungspflichtig.“ Diese Aussage hat sich Adelmann schriftlich geben lassen. Stationieren will er sein Kriegsgerät in Mauretanien: „Ein neutrales Land, da kann mir keiner was.“ Genehmigungspflichtig im Sinne des „Kriegswaffen–Kontrollgesetzes“ wird die Angelegenheit, wenn Adelmann die Panzer, die er zu „gewerblichen Zwecken“ braucht, wie er dem Ministerium hämisch mitgeteilt hat, anderen überläßt. Das hat er zwar vor, schließlich will er die „Durchschlagskraft der Truppe“ stärken, aber konkret kann man ihm nicht ans Leder. Fällig ist Adelmann erst, wenn er den BdL tatsächlich im Ausland aktiv werden läßt und diese skurile Legionärs–Mischung der Durchschlagskraft wegen mit Panzern anrückt. „Baby–Doc nach Haiti zurückputschen, das wäre was“, sinniert er. Für einen Rechtsradikalen hält sich Adelmann nicht, schon eher ein Staatsfeind „mit Verständnis für die Beweggründe der Attentäter von Beckurtz.“ Ein Waffennarr mit Vorlieben für Chaos und Unruhe - und das vor allem deswegen, weil ihm dieser „Scheißstaat“ eine gutbürgerliche Karriere verwehrt hat, - ein pathologischer Narziß mit dem Hang zur Selbstdarstellung. Wohl auch ein Spieler, ein Nepper wahrscheinlich, ein gerissener Geschäftsmann, dem es immer wieder gelingt, im Rampenlicht zu stehen. Gefährlich sind die Geister, die er gerufen hat. Die Widersprüchlichkeit des Grafen zeigt sich in seinem neuesten Projekt. Die Deutschen, meint Adelmann, seien über Auschwitz nie herausgekommen, die Justiz sei ein staatliches Herrschaftsinstrument zur Selbsterhaltung, dies Volk sei ein Fremdkörper in der europäischen Staatengemeinschaft. Er will deshalb, daß nicht nur einhunderttausend, sondern wenigstens eine Million Ausländer ins Land kommen und stellt Mappen mit Antragsformularen und Einwanderungspässen zusammen. Ein „zuverlässiger BdL–Mann“ soll Anfang November in Beirut ein „Einwanderungsbüro für die Bundesrepublik“ eröffnen und dort die Pässe zum Stückpreis von 100 Mark unter die Leute bringen. „Mit meinem Papier kommen die Flüchtlinge unbehelligt bis an die deutsche Grenze“, behauptet Adelmann. Er grinst: „Alles vollkommen legal, schon vor Monaten hat das Landeskriminalamt die Druckvorlagen beschlagnahmt und geprüft. Ich hab sie zurückbekommen, es gab nichts zu beanstanden.“ Hundert Mark könne schließlich jeder Auswanderungswillige aufbringen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen