: Gottes Segen - grenzenlos?
Die Freundschaftstrauung homosexueller Paare in der Düsseldorfer Markusgemeinde entzweit die katholische Kirche / Chance für die Anerkennung von Homosexuellen in der Kirche oder Segnung von „Perversen“? / Landeskirche wirft der Markusgemeinde einen Verstoß gegen Heilige Schrift vor ■ Aus Düsseldorf Hanna Jenet
„Wo du hingehst da will ich auch hingehen, wo du bleibst, da bleibe ich auch. (...) Der Herr tut mir dies und das, nur der Tod wird mich und dich scheiden.“ Diese berühmten biblischen Sätze aus der Trauagende, eigentlich eine Liebeserklärung zwischen zwei Frauen, wünschten sich Martina H. und Astrid B. als Segensworte für ihre Partnerschaftssegnung. Es war eine ungewöhnliche Gottesdiensthandlung, ähnlich einer Trauung und doch keine Trauung. So geschehen im Herbst 1987 in der evangelischen Markuskirche in Düsseldorf.
„Wir möchten unsere Liebe öffentlich bezeugen können“, begründete Astrid ihren Wunsch nach einer Segnung ihrer Partnerschaft. „Wir hoffen auf Gottes Segen als Zustimmung.“ Wenn sich ein Ehepaar das Jawort gebe, warum dann nicht auch zwei Lesben, die es ernst meinen mit ihrer Liebe und ihrer Zukunft? Astrid erfuhr durch die Segnung Stärke: „Ich kann nun offen sagen, daß wir zueinander stehen. Früher hatte ich Angst und kam mir widernatürlich vor.“ Astrid sieht in der Segnung eine Chance, auch Homsexuellen Anerkennung und Raum in der Kirche zu geben.
Seit langem trifft sich in den Gemeinderäumen der Markuskirche eine der ökumenischen Regionalgruppen „Homosexuelle und Kirche“ (HuK); Gemeindepfarrer Dr. Hans Georg Wiedemann ist Synodalbeauftragter für Homosexuelle des Kirchenkreises Düsseldorf-Ost. Er bezieht sich auf die Stellungnahme der Rheinischen Kirche zum Verständnis der Lebensform homosexuell liebender Menschen: „Sie (die Kirche) wird immer wieder Grund genug haben, sich auf die Seite dieser Menschen zu stellen und ihnen Schutz und Gerechtigkeit gewähren müssen.“
Damit scheint es nun vorbei zu sein. Bereits Ende '87 erreichte den Oberkirchenrat Hermann Augustin ein besorgter Brief aus dem Generalvikariat des Erzbistums Köln: Die Liberalität auf moral-theologischem Gebiet beunruhige die katholischen Partner in der Ökumene und verursache in deren Gemeinden schwere Spannungen bei der Beurteilung homosexueller Fälle. Am 26.Januar 1988 hob das Landeskirchenamt den Beschluß des Presbyteriums der Markusgemeinde auf. Landeskirchenrat Enno Obendiek argumentierte: „Die Freundschaftssegnung verletzt die Gemeinsamkeit der Kirche.“
Am 7.Februar unterrichtete das Landeskirchenamt die Markusgemeinde von dem Aufheben des Beschlusses zur Freundschaftssegnung. Begründungen waren: sie könne mit einem Gottesdienst aus Anlaß der Eheschließung verwechselt werden. Sie sei ein kirchliches Handeln, das in der Kirche nicht existiere. Sie belaste das ökumenische Klima. Ähnlich erging es im Juli dieses Jahres dem Würzburger Studentenpfarrer Richard Weiskopf, der bei zwei Lesben die Freundschaftssegnung vornahmn. „Unvereinbar“ mit der Heilslehre, urteilte die Kirchenleitung prostwendend. Auch bei der protestantischen nord-elbischen Kirche blieb es vor mehreren Jahren beim einmaligen Versuch einer homosexuellen Trauung.
In der Markusgemeinde war man empört und wollte sich nicht fügen. Eine weitere Freundschaftssegnung wurde vorgenommen.
Stadtsuperintendent Dieter Linz stellte sich auf die Seite der Homosexuellen: „Es sollte nicht im Entferntesten der Eindruck entstehen, daß Homosexuelle von der Gande Gottes ausgeschlossen sind oder daß die Kirche mit solchen Leuten nichts am Hut hätte.“ Wenn Paare den Segen aus ernstlichen Gründen begehren, gäbe es keinen Grund, ihnen das abzuschlagen. Die Segnung jedoch zu propagieren oder öffentlich anzubieten, lehnte er entschieden ab.
Die Markusgemeinde hat Widerspruch gegen den Aufhebungsbeschluß eingelegt. „Die kirchliche Trauung ist keine Eheschließung, nach reformatorischem Verständnis auch keine kirchliche, sondern ein Gottesdienst aus besonderem Anlaß. Eine Freudschaftssegnung wäre ein Gottesdienst aus dem Anlaß der Begründung einer Lebenspartnerschaft homosexuell orientierter Christen.“
Anders denkt Pfarrer Wilhelm Terboven von der katholischen Gemeinde Sankt Margareta in Düsseldorf: „In der katholischen Kirche ist die Ehe eines der Sakramente. Zum Ehesakrament gehört die Bereitschaft des Paares, zusammenzubleiben, bis der Tod scheidet, die Elternschaft, die Treue und die freie und ungezwungene Wahl zueinander.“ Homosexuelle allerdings können gemeinsam keine Kinder bekommen (Die Bereitschaft dazu wird wohl zuweilen vorhanden sein, auch wollen schon welche Pferde kotzen gesehen haben, d.S.). „Moraltheologisch“, so der katholische Geistliche, „gehen wir vom Naturrechtsgedanken und der Schöpfungsordnung aus.“ Er sieht das hier verletzt, weil „Perverse“ gesegnet werden. Das muß er entschieden ablehnen wegen des Mißverständnisses, Homosexualität würde als nicht sündhaft gedeutet und verharmlost. Er sorge sich sehr um den ökumenischen Frieden, der hier mehr in Gefahr sei als zuvor durch die dogmatischen Unterschiede. „Wie können wir mit den evangelischen Geistlichen noch gemeinsam vor den Altar treten?“
Tröstlich empfindet Terboven das Einschreiten des Landeskirchenamtes, die der Markuskirche und ihrem Tun Einhalt gebot. „Es ist gut, daß es noch eine gewisse Ordnung von oben gibt“, meint er.
Auch Helmut Ackermann, Superintendent in Düsseldorf, wies auf das syndonale Prinzip hin: Um wichtige Änderungen auf den Weg zu bringen, müßten entsprechende Anträge erst über die Kreissynode zur Landessynode gelangen, in Fachausschüssen beraten und im Plenum verabschiedet werden.
Anfang September beschäftigte sich die Kirchenleitung mit dem Widerspruch der Markusgemeinde. Die Freundschaftsegnungen werden abgelehnt mit der Begründung, sie seien ein Verstoß gegen die heilige Schrift, das Bekenntnis und die Kirchenordnung. Landeskirchenrat Enno Obendiek betonte dabei, es gehe nicht um Ablehnung der Homosexualität, sondern um den Erhalt der Kirchengemeinschaft.
Astrid und Martina bleiben wohl eines der wenigen Paare, auf denen nun Segen ruht. Astrid revidierte inzwischen ihre Ansicht, die Kirche gäbe ihr das Gefühl der Zugehörigkeit.
(Das hätte ich ihr gleich sagen können, d. K.)
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