: Gotik-Treffen in Leipzig –betr.: „Ein kleines Weltkriegssample“ , taz vom 27. 5. 99
[...] Leider sehe ich meinen/unseren Standpunkt in Bezug auf das Projekt Feindflug in diesem Zusammenhang nur ungenügend dargestellt bzw. in Teilen mißverstanden. Nirgendwo eine Zeile meiner Aussage, daß es in der Gotik-Szene schon immer sowohl Linke als auch Rechte gab, dies jedoch nur in Grauabstufungen und Minderheiten. [...]
Auch unsere ansatzweise zitierte Erklärung hätte ich gerne vollständiger gelesen, da noch einige interessante Sätze folgen, die durchaus einen weiteren (im Sinne von weit) Blick eröffnet hätten. Ausgesprochenen Wert legen wir zum Beispiel auf die Aussagen „Use your brain and think about it!“ [...]
Auch hatte ich darauf hingewiesen, daß die Musik von Feindflug unbedingt als geschichtlicher Zyklus zu sehen ist und man in diesem Zusammenhang nicht einfach einzelne Punkte (auch Samples) unreflektiert herausgreifen kann, ohne diese in Verbindung zum Rest zu setzen. Auch war Feindflug nie als provokativer Bandname gedacht, sondern immer als Projekttitel für diesen Zyklus. [...]
Ich möchte also hier nochmals zu Protokoll geben, daß die Musiker von Feindflug und ich keinerlei faschistoides Gedankengut vertreten und auch nicht propagieren (wie kommt denn DJ Kersten auf die Geschichte, wir wären aus dem Sigill-Umfeld? Dies ist einfach falsch!).
[...] Definitiv werfe ich auch den „Gruftis gegen Rechts“ (welcher echte Gothic nennt sich eigentlich freiwillig Grufti?) und Alfred Schobert vor, eine friedliche Form der Auseinandersetzung, nämlich die Diskussion, zu diesem Thema nicht genutzt zu haben, mit der fadenscheinigen Begründung, sich nicht mit bestimmten Leuten an den Tisch zu setzen. Was soll denn das? Man muß doch miteinander reden! Wie sollen denn festgefahrene Meinungen/Ansichten aufgebrochen werden, wenn niemand miteinander redet, sich alle nur die Köpfe einschlagen und alle möglichen Leute zur „persona non grata“ erklärt werden?
Ich werfe der taz in Bezug auf dieses Thema definitiv keinen „Scheckheft-Journalismus“ vor, wie bei anderen Blättern üblich, gebe aber zu bedenken, daß in diesem Artikel durchaus einige Hintergrundinformationen fehlen. Bei näherem Befassen mit der Band Kirlian Camera würde man nämlich zum Beispiel auf den interessanten Umstand stoßen, daß zwei der Mitglieder in Italien der linksradikalen Szene angehören. Wer weiterhin vor einiger Zeit das Kirlian-Camera-Konzert in Dresden erlebt hat, der konnte dabei auf der Bühne eine braunhäutige Schönheit erblicken, welche ein afrikanisches Volkslied sang! Wie paßt denn das nun ins Bild? Da sollte man doch schon ein bißchen differenzieren!!
Was ist denn nun das Gotik-Treffen? Ein Treffen von Links- und/oder Rechtsradikalen? Oder wie? Oder was? Oder wurden vielleicht sogar ein paar Gothics gesichtet unter den 15.000 Leuten ...? Und vielleicht etwa noch solche, die sich nicht in das Schema von rechts und links pressen lassen? So schafft man Feindbilder! Gewollt oder ungewollt?! Traurig, traurig! Gerald Synnatzschke, Black Rain, Management/Label/Musikverlag, Chemnitz
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