: Gorbatschow rechnet mit Kritikern ab
■ Rechenschaftsbericht mit mäßiger Selbstkritik, aber Kampfgeist gegen linken und rechten Parteiflügel
Moskau (dpa/afp/taz) - Zum Auftakt des mit Spannung erwarteten 28. Parteitags der KPdSU sorgten einige Delegierte sogleich für Wirbel. Politbüro und ZK, so ein Vertreter aus Sibirien, hätten allesamt versagt und sollten am besten gleich zu Beginn des Parteitages zurücktreten. Der Antrag wurde zwar mit überwältigender Mehrheit niedergestimmt, kann jedoch als Gradmesser für die erregte Stimmung der Delegierten und Parteimitglieder in den Sowjetrepubliken gelten.
In seinem folgenden sechsstündigen Rechenschaftsbericht übte Gorbatschow dann zwar Selbstkritik an Entscheidungen der Führung, ging seine Kritiker von links und rechts aber auch frontal an: Die Konservativen sollten nun nicht so tun, als hätten die Probleme ihre Ursache in der Perestroika. Das Gegenteil sei der Fall - nun erst würden die Sünden der Vergangenheit deutlich. Auf der anderen Seite nannte er das Programm der Regierung Ryschkow zur Wirtschaftsreform „absurd“. Nur die Preise zu erhöhen, das könne es ja wohl nicht gewesen sein. Notwendig sei eine Bankreform, das Erarbeiten einer Zinspolitik und die Schaffung der Bedingungen für wettbewerbsfähige Unternehmen. Empathisch warnte Gorbatschow die auseinanderdriftenden Flügel der Partei vor einer Spaltung. Das gebe nur anderen politischen Kräften Raum und verschärfe die Misere.
Tagesthema Seite 3
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