piwik no script img

Archiv-Artikel

bücher über fußball, dritte lieferung Goooool! Geschichten von Frauen, Aphorismen, Kolumnen und Sonette

Dass sich die Verlage an Kreativität überbieten, was die Umschlaggestaltung ihrer Fußballbücher betrifft, kann man nicht sagen. In der Regel ist der Umschlag grün, mit weißen Linien drauf, ein Fußballfeld halt, nun ja. Auch die Zahl elf ist eine beliebte, da gibt man, wie bei KiWi, elf Fußballbücher heraus, ältere und ein paar neue. Oder man lässt, wie in dem von dem Netzwerk der Literaturhäuser herausgegebenen und in der Sammlung Luchterhand erschienenen Band „Aus der Tiefe des Traums“ elf Frauen Fußballgeschichten erzählen.

So unoriginell diese Zahl ist, so halbwegs originell ist dieses Vorhaben. Denn dass Frauen über Fußball schreiben, ist tatsächlich noch weniger Usus, als dass sie im Radio (Sabine Töpperwien!) oder im Fernsehen Fußballspiele kommentieren oder moderieren. Man schaue sich einmal den Sportteil der SZ oder anderer Tageszeitungen an: Männer, soweit die Autorenzeilen reichen. Ob man diese Geschichten von Frauen nun braucht, steht wiederum auf einem anderen Blatt, doch fragt sich das natürlich bei vielen aktuellen Fußballbüchern.

Sibylle Berg hat da eine Sibylle-Berg-Geschichte über eine Mutter geschrieben, die sich vor ihrem Sohn ekelt, weil er plötzlich das Fußballspielen anfängt. Am Ende verlässt sie ihn, nicht ohne das Gas in der Wohnung anzulassen. Fanny Müller hat eine Fanny-Müller-Geschichte geschrieben über eine Frau, die erstmals einem Spiel des FC St. Pauli beiwohnt. Oder Sybille Lewitscharoff hat sich ein paar Gedanken gemacht, etwa darüber, dass es gar nicht so schön ist, wenn Frauen wie Männer sein wollen und noch mehr über Fußball wissen als diese. Ihr ist es lieber, wenn der Fußball in Männerhand und Männerfuß und Männerköpfen bleibt, die Frauen möchten doch bitte schön lieber „allen Ehrgeiz darauf verwenden, endlich den Chefposten bei Daimler-Benz zu ergattern“.

Das liest man gern. So gern, wie Philipp Kösters Aphorismensammlung „Fast jedes Tor ein Treffer“. Es ist dies eines dieser Büchlein, bei denen man nicht weiß, wer die kauft, so überflüssig sind sie, deren Lektüre dann aber ganz funny ist. So fräst man sich mit Vergnügen durch die von Köster gesammelten und in Kapitel wie „Tiefenpsycholgie“ oder „Beruf und Karriere“ sortierten verbalen Stolperer der Fußballmenschen, von Reiner Calmunds „Der krempelt die Arme hoch“ über Helmut Schöns „Da gehe ich mit Ihnen chloroform“ bis zu Mario Baslers letzter Lektüreerfahrung: „Es war ganz interessant und handelte von einer Familie. Den Titel weiß ich nicht mehr“.

Auch ganz interessant sind Nelson Rodrigues’ Fußballkolumnen. Sie handeln von Brasilien und Brasiliens Fußball, haben den Titel „Goooooool!“ und sind bisweilen feurig, nicht selten aber auch übersprudelnd patriotisch. Rodrigues, der 1980 im Alter von 68 Jahren starb, gilt als der bedeutendste Dramatiker Brasiliens. Er interessierte sich, wie alle Brasilianer, auch für Fußball über die Maßen und schrieb ab 1955 erst für die Zeitschrift Manchete Esportiva und später für die Zeitung O Globo seine Kolumnen – kurze Prosatexte, angesiedelt zwischen Fiktion und Reportage, mal witzig, mal auch ein wenig öd.

Durchweg toll dagegen sind Ludwig Harigs Fußballsonette, die beweisen, dass auch Lyrik und Fußball zusammengehen, vielleicht sogar besser als Prosa und Fußball. Hier ein Auszug aus einem der Gedichte, das die Stimmung vor dem Endspiel 2002 in Yokohama einfängt: „Die Aussicht auf den Sieg hält Kahn in seiner Pranke / Längst sind hinweggefegt der Brite, der Franzose / der tapfre Belgier auch in seiner roten Hose / Zwei matte eins zu null: Hoch lag die letzte Schranke“. ALEXANDER LEOPOLD

„Aus der Tiefe des Traums“. Luchterhand, 171 S., 9 € Philipp Köster: „Fast jedes Tor ein Treffer“. rororo, 128 S., 6 €ĽNelson Rodrigues: „Goooool!“. Suhrkamp, 176 S., 7 € Ludwig Harig: „Die Wahrheit ist auf dem Platz“. Hanser, 80 S., 14 €