Googles Pläne für Online-Festplatten: Angst vor Datenschutz-Zeitbombe
Der Datenhunger Googles scheint unersättlich: Nach dem Sammeln von Suchanfragen, E-Mails und Dokumenten alarmiert nun auch die geplante Online-Festplatte Datenschützer.
BERLIN taz Für sich genommen ist die Nachricht eigentlich nicht weiter spektakulär: Wie das "Wall Street Journal" meldet, plant Suchmaschinenbetreiber Google ab 2008 die Bereitstellung einer Online-Festplatte, mit der die Nutzer alle wichtigen Dokumente, die sich auf ihren PCs befinden, auch im Internet ablegen können. Der Dienst, über den im Netz bereits seit längerem spekuliert wird, hat noch keinen Namen - Insider gaben gegenüber dem Blatt nur an, dass er nahezu alle Arten von Dokumenten verarbeiten können wird.
So soll die Online-Festplatte neben Word-Dokumenten auch Bilder sowie digitale Musik und Videos aufnehmen. Nutzer können sie mit einem Passwort schützen und einzelne Bereiche für andere Personen freigeben, steuerbar über ein Web-Interface. Eine Suchfunktion, die Google stellt, macht das Auffinden von Inhalten einfach, die Festplatte kann aber auch auf dem Windows-Desktop dargestellt werden. Wie viel Speicherplatz verwendet werden kann, ist noch unklar. Der Standarddienst soll aber Google-typisch kostenlos sein - wer besonders viel Raum benötigt, zahlt womöglich eine Gebühr.
Eine solche "Online Storage"-Funktion, wie Google sie nun plant, ist keineswegs neu - auch Yahoo ("Briefcase"), Microsoft ("SkyDrive") und AOL ("Xdrive) bieten ähnliches. Bemerkenswert ist vor allem, dass der Internet-Konzern damit nun die Möglichkeiten, Daten zu ihm ins Netz auszulagern, komplettiert - nichts, was den Nutzer interessieren könnte, muss damit künftig außerhalb von Google geschehen.
Der Datenhunger der großen Suchmaschine scheint dabei unersättlich: Schon jetzt lassen sich elektronische Post in großer Menge ("Gmail") sowie Textdateien, Präsentationen und Tabellenkalkulationen ("Docs") bei Google ablegen. Wer alle Dienste des Konzerns nutzt, überlässt dem Unternehmen damit wichtige Teile seiner digitalen Existenz. Finanziert wird das Angebot jeweils über personalisierte Werbung - ob dies auch bei der Online-Festplatte der Fall sein wird, steht laut "Wall Street Journal" noch nicht fest. Mancher Nutzer hat aber bereits beim Postdienst Gmail ein flaues Gefühl im Magen, weil die Algorithmen der Werbesoftware zur Einblendung passender Anzeigen Mails "mitlesen" muss - laut Google werden die entsprechenden Daten aber sofort wieder verworfen und kein Mensch bekäme sie zu Gesicht.
Google verfolgt zielstrebig die Strategie, nahezu alle Userinhalte abzuspeichern. Im Frühjahr 2006 tauchte ein internes Dokument der Firma unbeabsichtigt im Web auf, das davon sprach, man sähe sich bald in der Lage, "100 Prozent der Nutzerdaten" vorzuhalten - egal ob es nun E-Mails, Bilder, Lesezeichen oder die besuchten Webseiten sind. Besonders letzteres ist vielen Nutzern nicht bewusst: Google speichert schon heute alle Suchanfragen mit abgehender Internet-Adresse und eventuell vorgenommenen Klicks für mindestens 18 Monate. Da gleichzeitig eindeutige so genannte "Cookies" auf den Rechnern abgelegt werden, lassen sich Suchanfragen auch dann zuordnen, wenn der Nutzer mit einer neuen Internet-Adresse ins Netz geht.
Die Suchmaschine betont, sie gehe bei alldem mit "der größten Sorgfalt" vor, man setze "breite Sicherheitsmaßnahmen" ein, um die Nutzerdaten zu schützen. Gegen eventuelle Begehrlichkeiten von Sicherheitsbehörden und Geheimdiensten hilft das allerdings nichts - das Unternehmen muss sich jeweils an örtliche Gesetze halten, auch wenn es sich in der Vergangenheit bereits gegen unverhältnismäßige Zugriffe wehrte. Da es Google selbst nicht um Datenvermeidung, sondern um das Anhäufen möglichst vieler Daten zu gehen scheint, ticke hier eine Datenschutzzeitbombe, fürchten einige Privatsphärenschützer. Kevin Bankston, Justiziar bei der Netzbürgerrechtsorganisation Electronic Frontier Foundation (EFF), sagte gegenüber dem "Wall Street Journal", der gesetzliche Schutz der Daten sei bei Diensten wie Online-Festplatten geringer als auf dem heimischen PC.
Dem Google-Vorhaben könnten aber noch ganz andere Schwierigkeiten drohen: Sollten Nutzer beginnen, urheberrechtlich geschützte Inhalte in der Online-Festplatte abzulegen, die sie dann anderen Usern zugänglich machen, hätte die Suchmaschine ein weiteres Raubkopiererproblem. Bereits jetzt balgt sie sich gerichtlich mit einem Medienkonzern um möglicherweise illegale Videos im Online-Dienst YouTube.
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