: Good bye, Zonenbahn!
Die Trabrennbahn Karlshorst ist eines der letzten Stücke der real existierenden DDR. Pferdesport ohne Schnickschnack. Nun soll die Anlage zur modernsten Rennbahn Europas ausgebaut werden
von SYLVIA HELBIG
„Vor zwei Jahren sollte das hier schon geschlossen werden. Da haben wir die Totenkopfflagge gehisst. Ich glaub jetzt gar nichts mehr.“ Jochen Hein hält offensichtlich nichts von der Neuigkeit, dass die Trabrennbahn Karlshorst zur modernen Superpiste umgebaut werden soll. Dennoch ist die Nachricht das Topthema am „Zockertreff“. Kleine Grüppchen von Rentnern reden, trinken und wetten sich in Rage. Eine moderne Rennbahn hier kann sich niemand vorstellen. Das Einzige, was hier seit der Wende hinzugekommen ist: ein schrottiger Mercedes, der die Startboxen zieht. Alles andere ist noch komplett Ost, ein Mikrokosmos konservierter DDR.
Während die Galopprennbahn Hoppegarten auf großen Rummel mit Prominenten setzt, zählt in Karlshorst allein der Sport. Kein Rahmenprogramm, kein Schnickschnack. Für eine Minisiegprämie von 800 Euro traben Pferde mit Namen wie „Redhotchilipepper“ oder „Nirvanas Nevermind“ um die Wette. Dem Seniorenausflug aus dem nahe gelegenem Pflegeheim sind die fremd klingenden Namen egal. Bei freiem Eintritt ist der abendliche Ausflug zur Trabrennbahn eine gute Unterhaltung. Neben den spielsüchtigen Rentnern stellen Teenager die zweitgrößte Besuchergruppe. Mädchen fachsimplen über ihre Lieblingspferde und schielen nach dem Trainersohn, auf dessen Mist die Grunge-Gruppen-Namen für die Pferde wahrscheinlich gewachsen sind.
Obwohl den Zockern keine großen Gewinne winken, kommt Jochen Hein am liebsten nach Karlshorst: „Das ist so familiär hier.“ In Hoppegarten könne man vor lauter Verkaufsständen gar nicht mehr die Pferde sehen. Zur Trabrennbahn Mariendorf geht er selten. Die Mariendorfer kämen umgekehrt überhaupt nicht nach Hoppegarten, versichert der 66-Jährige.
Geht es nach dem Berliner Trabrenn-Verein, der beide Bahnen betreibt, müssen die Mariendorfer aber bald in den Osten fahren. Denn Karlshorst soll als modernste Trabrennbahn Europas überleben, dafür muss Mariendorf dichtmachen. Die Gewinne des Sports sind schon seit zehn Jahren rückläufig. Der Verein lebt von 25 Prozent der Wetteinnahmen. Mariendorf machte 2002 einen Umsatz von 9,6 Millionen Euro. 24 Prozent weniger als im Vorjahr. Karlshorst erwirtschaftete 3,5 Millionen. 2001 waren es noch 4,2 Millionen.
Mit Trabrennsport ist kein großes Geld zu machen. Er zählte schon immer zu den Vergnügungen der kleinen Leute. Im Gegensatz zum Galopprennsport, wo sich die High Society trifft – die mit den großen Hüten. Ein gutes Kutschpferd war der Stolz eines jeden Bauern. Ein vorwitziger Galopper konnte die Kutsche leicht zum Umkippen bringen. Der gleichmäßige Traber wurde daher von den Landwirten geschätzt und gezüchtet. Die 119 Jahre alte Trabrennbahn Karlshorst lebt auch gegenwärtig vom Flair der kleinen Leute. Der einzige Sponsor, der mit einem verblichenen Plakat auf der Bahn vertreten ist, heißt „timpemock – ihr starker Partner für Farben, Tapeten, Bodenbeläge“.
Die Trabrennfreunde wissen längst, dass etwas passieren muss, wenn sie ihr Hobby erhalten wollen. Von den erfolgreichen Trabernationen Frankreich, Schweden und Italien wollen sie sich abgucken, wie man Traber als Werbeträger fit machen kann. Dafür müsste man ins Fernsehen und das Wettnetz ausbauen. Gespräche mit TV-Sendern werden bereits geführt. Es ist dem Sport zu wünschen, dass es aufwärts geht. Auch wenn man nach einer Modernisierung der Trabrennbahn Karlshorst nur noch im Kino sehen kann, wie schön ostig der Osten mal war.