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Golfkonflikt

■ Eine goldene Brücke für Saddam? / In zehn Tagen läuft das UNO-Ultimatum ab. Von der EG über Jordaniens Hussein bis zu Japans Ex-Premier Nakasone bastelt alle Welt an Friedensinitiativen. Aber Saddam läßt sich Zeit.

Neue Vermittlungsangebote haben gestern Hoffnungen auf eine diplomatische Lösung des Golfkonflikts geweckt. Auf Grund einer Indiskretion der Genfer Kantonsregierung wurde gestern mittag bekannt, daß US-Außenminister Baker auf jeden Fall am Dienstag abend in der UNO-Stadt eintreffen wird.

Aus Bagdad gab es bis Redaktionsschluß noch keine offizielle Reaktion. Die Fernsehstation CBS meldete jedoch am Nachmittag unter Berufung auf ranghohe irakische Regierungsvertreter, Bagdad werde die Offerte annehmen. Außenminister Asis habe aber die bisherige Position bekräftigt, daß für eine Lösung alle Nahostfragen angesprochen werden müßten.

Auch die EG-Außenminister, die am Nachmittag eine Sondersitzung in Luxemburg begannen, stellten sich schon auf die Lage ein. Nach einem bilateralen Treffen mit Frankreichs Außenminister Roland Dumas erklärte Hans-Dietrich Genscher, die „Tendenz“ der Beratungen werde in Richtung eines Treffens zwischen EG-Ratspräsident Poos und der Bagdader Regierung nach der geplanten Begegnung Baker-Asis gehen. Mit einem konkreten Vermittlungsvorschlag der EG wurde gestern nachmittag nicht gerechnet. Die EG dürfte es zu vermeiden suchen, mit einem eigenen Angebot an Bagdad das Treffen zwischen Baker und Asis zu beeinflussen.

Schon vor Beginn der Luxemburger EG-Sitzung war klar, daß die Außenminister Bagdad keinesfalls verbindliche Verhandlungen über die verschiedenen Probleme der Nahost-Region anbieten würden, sondern allerhöchstens unverbindliche „Beratungen“ — nach einem „vollständigen und bedingungslosen“ Rückzug aus Kuwait.

Die mit zehn Millionen Auflage größte japanische Tageszeitung 'Yomiuri Shimbum‘ verbreitete in ihrer gestrigen Ausgabe die Nachricht, die irakische Führung habe positiv auf einen Sieben-Punkte-Vermittlungsvorschlag des ehemaligen japanischen Regierungschefs Nakasone reagiert.

Nach Darstellung der Zeitung habe Nakasone diesen Vorschlag nach seinem Besuch in Bagdad Ende November erarbeitet und dann Saddam Hussein unterbreiten lassen. Noch Ende Dezember weilte ein Emissär Nakasones in Bagdad. Saddam Hussein, so die 'Yomiuri Shimbum‘ habe „positiv reagiert“. Das Außenministerium in Tokio erklärte, es handele sich um eine „private Initiative“ des ehemaligen Regierungschefs. Doch wenige Stunden nach Erscheinen der gestrigen 'Yomiuri Shimbum‘ dementierte die irakische Regierung, jemals einen Vermittlungsvorschlag Nakasones erhalten zu haben.

Perez de Cuellar bietet sich an

UNO-Generalsekretär Perez de Cuellar bot gestern in New York an, nach Bagdad zu reisen. Vor einer Begegnung mit Iraks UNO-Botschafter Amir al Anbari erklärte er, falls die irakische Führung direkten Kontakt zu ihm wünsche und „falls dies dazu beitragen kann, eine militärische Auseinandersetzung zu vermeiden“, werde er jederzeit losfliegen. Der UNO-Generalsekretär warnte vor einer „Kriegspsychose“ am Golf. Es gebe unterhalb der militärischen Option auch noch andere Möglichkeiten, die — wie die Wirtschaftssanktionen — noch nicht voll ausgeschöpft seien.

In informellen Gesprächen mit Journalisten hatte de Cuellar zuvor außerdem die Möglichkeit einer erneuten Sitzung des Sicherheitsrates vor Ablauf des Ultimatums am 15. Januar angesprochen. Doch nach Interventionen der USA wie der Sowjetunion distanzierte er sich später von diesen Bemerkungen und bezeichnete sie als „großes Mißverständnis“.

Moskaus Botschafter Yuri Vorontsov hatte auf de Cuellars Äußerung über eine Sitzung des Sicherheitsrates mit der Bemerkung reagiert, es solle „nichts unternommen werden, was die UNO-Resolution verwässert, in der Saddam Hussein zum Verlassen Kuwaits bis zum 15. Januar aufgefordert wird“.

Unter Berufung auf das Berner Außenministerium verbreitete die Genfer Kantonsregierung gestern mittag offiziell eine angebliche „Mitteilung des Weißen Hauses“ in Washington, wonach US-Außenminister Baker am Dienstag abend kommender Woche auf dem Genfer Flughafen eintreffen und am Mittwoch abend wieder abfliegen werde.

Präsident Bush hatte am Mittwoch dieser Woche als „letztes Angebot“ vor dem 15. Januar eine Begegnung zwischen Baker und Asis „zwischen dem 7. Und 9. Januar“ vorgeschlagen. Die Genfer US-Mission dementierte die Kantonsmitteilung zunächst mit dem Hinweis, daß aus Bagdad noch keine Reaktion auf dieses Angebot vorliege. Daher gebe es auch „keine Planungen“ für eine Reise Bakers nach Genf. Die Schweizer Regierungsstellen blieben jedoch bei ihrer Darstellung. Nachdem außerdem Planungen für eine erste Beratung der Genfer Polizei- und Sicherheitskräfte noch am gestrigen Nachmittag bekannt wurde und auch das gesamte Hotel Intercontinental bereits von der Genfer US-Mission gebucht worden war, bestätigte dieseinoffiziell die Meldung — verbunden mit harscher Kritik an der „Indiskretion“ der Schweizer Behörden.

Arabische Diplomatie

Auch mehrere arabische Staaten beteiligen sich an den diplomatischen Bemühungen. Der jordanische König Hussein traf am Mittwoch abend zum Auftakt einer Europareise in London ein. Er wirbt für einen Verhandlungsprozeß der EG-Staaten mit dem Irak, wobei Bagdader Konzessionen mit internationalen Engagement in der Palästinafrage verknüpft werden sollen.

Dabei denkt der König, der sich seit Beginn letzten Jahres dem Irak angenähert hatte, auch an seine eigenen Interessen. Er befürchtet, Israel könne im Falle eines Krieges die Gunst der Stunde nutzen, um die Palästinenser aus der Westbank über den Jordan zu treiben und jenseits des Grenzflusses eine „Sicherheitszone“ ähnlich wie im Libanon errichten. Über konkrete Ergebnisse der Begegnung der Staatschefs Libyens, Ägyptens, Syriens und des Sudan wurde nichts bekannt.

Andreas Zumach/B.S.

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