■ Golf-Casino: Neues Spiel, neues Glück: Saddams Fünfzig-Prozent-Chance
Mehr als vier Jahre nach dem Golfkrieg ist das nahöstliche Roulette wieder richtig in Schwung gekommen. Die Kugel rollt, seit Saddam Husseins Schwiegersohn, Hussein Kamel, übergelaufen ist. Die Einsätze sind hoch, die Anspannung beträchtlich. Faites vos jeux, politische Kalkulatoren!
Gute Aussichten auf Gewinn hat Jordanien. König Hussein hat mit der freundlichen Aufnahme des irakischen Deserteurs nicht nur im Westen reüssiert. Derzeit reisen jordanische Offizielle gehäuft vor allem ins benachbarte Saudi-Arabien, um die politischen Zinsen ihrer Gastfreundschaft für Hussein Kamel einzustreichen. Hatte es sich doch König Hussein durch seine Sympathien für Saddam Hussein während des Golfkriegs gründlich mit seinen Golfnachbarn verscherzt. Jetzt stehen die Chancen auf Versöhnung besser den je.
Paradoxerweise hat auch der Irak selbst Gewinnchancen. Nach dem Motto „Alles auf Rot“. Die Informationen über sein Waffenprogramm, die jetzt sowohl aus Bagdad als auch von Hussein Kamel zum Nutzen der speziell dafür eingerichteten UNO-Kommission sprudeln, könnten am Ende zur Aufhebung des Wirtschaftsembargos führen. Der „Verräter in den eigenen Reihen“ hat die Front in Bagdad aufgeweicht. Nun müssen selbst die USA ihre Embargo-
politik überdenken. Sind erst einmal alle Waffenprogramme aufgedeckt, so dürften auch den härtesten Aushungerungsstrategen die Argumente ausgehen.
Es gibt eigentlich nur einen Fall, in dem die Kugel für Saddam Hussein aufs verderbliche „Schwarz“ zurollt: Wenn sich der prominente Überläufer und die irakische Opposition im Exil auf ein Programm einigen, das den Sturz des Diktators in Bagdad zur Minimalbasis hat, oder wenn womöglich noch andere
Familienmitglieder Saddams sich der Fürsorge des Gewaltherrschers entziehen.
Sollte der Irak aber gewinnen, gäbe es auf der anderen Seite des Roulette-Tischs lange Gesichter. Die Golfstaaten, allen voran Saudi-Arabien, zittern bei dem Gedanken, daß das Embargo aufgehoben werden könnte. Wirft der Irak erst einmal wieder sein Öl auf den Weltmarkt, dann dürften die Ölpreise binnen weniger Stunden ins Bodenlose sinken. Den Golfstaaten würden die Chips für weitere große Einsätze ausgehen. Und der Casino-Besitzer in Washington müßte sich nach neuen lukrativen Geschäften um-
sehen. Karim El-Gawhary, Kairo
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen