■ Göttinger Telefon bietet Opfern Beratung und Hilfe an: Werden Sie gemobbt?
Göttingen (taz) – 0551/ 496 231 – seit Anfang Juni ist dieser Anschluß geschaltet, das Göttinger „Mobbing-Telefon“ in Betrieb. Die Barmer Ersatzkasse, die Deutsche Angestellten-Gewerkschaft und ein Unternehmensberatungsbüro aus Hannover haben die Einrichtung ins Leben gerufen. Als Auslöser für das bundesweit bislang einmalige Vorhaben nennt Meinolf Stromberg vom Bezirksvorstand der Barmer Ersatzkasse „einen deutlichen Anstieg der durch Psycho-Erkrankungen ausgelösten Arbeitsunfähigkeiten“.
Der Begriff „Mobbing“ kommt aus dem Englischen und bedeutet so viel wie Anpöbeln oder Belästigen. Gemobbt wird in Büros, in der Fabrik, an Schulen und in Geschäften. In Göttingen, so Stromberg, triezten vor allem in der öffentlichen Verwaltung und an der Universität Kollegen ihre MitarbeiterInnen. Betroffen seien fast immer Frauen „aus allen Bereichen der Unternehmenshierarchien“, so der Psychologe und Mobbing-Berater Thomas Böcker. „Wir bekommen Anrufe von Arbeiterinnen, weiblichen Angestellten und Abteilungsleiterinnen.“
Die Frauen beklagten sich über sexuelle Anzüglichkeiten, über Beleidigungen und Beschimpfungen, bisweilen auch über massive körperliche Gewalt durch ihre männlichen Vorgesetzten. Böcker nennt mehrere „besonders drastische Fälle“, in denen Frauen von Schlägen am Arbeitsplatz berichteten. „Die hatten dann solche Angst, daß sie nicht zur Polizei gegangen sind und keine Anzeige erstattet haben.“
Nach einer kurzen Fallschilderung am Telefon werden die Opfer zu persönlichen Gesprächen eingeladen. Bis zu 15 Stunden dauern die Mobbing-Beratungen, an denen auf Wunsch der Betroffenen manchmal auch Arbeitskollegen teilnehmnen. Dabei soll den Mobbing-Opfern Selbstbewußtsein für eine Auseinandersetzung mit ihren Peinigern eingeimpft werden. „Unser Ziel ist, die Leute zu bewegen, mit ihren Problemen die mobbenden Vorgesetzten und Kollegen anzusprechen.“
Noch die Ausnahme: Nicht nur Mobbing-Opfer, sondern auch Täter suchen Rat. So hat sich jetzt das gesamte Kollegium einer Göttinger Schule gemeldet, das gemeinsam mit dem mobbenden Rektor die Hilfe der Arbeitspsychologen in Anspruch nehmen will.
Ende des Jahres soll der Versuch ausgewertet werden. Dann wird auch entschieden, ob weitere Mobbing-Telefone in anderen Städten eingerichtet werden sollen. Reimar Paul
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