piwik no script img

Goethe InstituteKeine Ferne macht dich schwierig

Nach Sinnkrise, Finanzengpässen und Besuch von McKinsey: Die Goethe-Institute brauchen eine Grundsatz-Diskussion. Und eine starke Kooperation vor Ort.

Die Münchner Zentrale: Von hier aus werden die 140 Goethe Institute in aller Welr verwaltet Bild: dpa

McKinsey war da und die Aufregung groß. Als ausgerechnet das Goethe-Institut, das Schaufenster deutscher Kultur in der Welt, sich in diesem Jahr die Unternehmensberater ins Haus holte, begriff manch einer das als Offenbarungseid. Wie sollen die Autonomie der Kultur und ökonomisiertes Effizienzdenken zusammenpassen? Und, vielleicht schlimmer noch, wie können sich das größte Lehrinstitut der deutschen Sprache und der heillos denglisierte Effizienzsprech von McKinsey und Co vertragen? Für grundsätzlich berechtigt hält Christoph Bartmann, Leiter der Programmabteilung "Wissen und Gesellschaft" in der Münchner Zentrale des Goethe-Instituts, die Frage, "ob man Unternehmensberatung in Kulturbetrieben haben will". In diesem speziellen Fall aber verteidigt er die Entscheidung, die von Goethe-Generalsekretär Hans-Georg Knopp angeregt und vom Vorstand beschlossen wurde.

Aus einem einfachen Grund: Das Goethe-Institut stand im letzten Jahr mit dem Rücken zur Wand. Viel zu wenig Geld zu haben, damit kennt das Institut sich zwar schon lange aus. Die rund 140 Institute in aller Welt werden von jeher mit dem jährlichen Haushaltsäquivalent von ein paar neu gebauten Autobahnkilometern bespielt - in Zahlen: Die rund 160 Millionen Euro an Zuwendungen im Jahr 2006 machen gerade mal rund ein halbes Promille des gesamten Bundeshaushalts aus. 35 Prozent der Einnahmen generiert das Goethe-Institut vor allem durch Sprachkurse zudem selbst. Auf dem Papier ist es, anders als die sehr viel finanzkräftigeren französischen und britischen Kulturinstitute, ein Verein und damit staatsunabhängig - seine Finanzierung erhält das Goethe-Institut aber aus einem Kulturtopf des Auswärtigen Amtes. Bis in die Neunzigerjahre kam man mit den knappen Geldern über die Runden und übte sich ziemlich erfolgreich in der Kunst, aus der Finanznot eine Tugend zu machen, indem man auf einen Kulturbegriff setzte, der der Avantgarde näher stand als der teuren Repräsentation. Der Ärger, den es in der Kohl-Ära von konservativer Seite um ins Ausland verschickte Linke wie Klaus Staeck, Franz Xaver Kroetz oder das Grips Theater gab, war gerade gut, um sich international den Ruf der immer leicht dissidenten Staatsferne zu erwerben.

Dann kam der Mauerfall, mit ihm eine Sinnkrise und seitdem ständige Diskussionen über mögliche und notwendige Schwerpunktverlagerungen Richtung Osteuropa, China, islamische Welt. Wenn man sich mit den führenden Goethe-Mitarbeitern unterhält, drängt sich allerdings der Eindruck auf, dass das eigentliche Problem des letzten Jahrzehnts einen anderen Namen trug: Joschka Fischer. So wurden unter Rot-Grün die Zuschüsse fürs Goethe-Institut Jahr für Jahr abgesenkt, eine Tendenz, an der sich zunächst auch unter der großen Koalition wenig änderte. Im letzten Jahr war der Tiefpunkt erreicht. Eine strukturelle Unterdeckung in zweistelliger Millionenhöhe drohte, das Goethe-Institut komplett handlungsunfähig zu machen. Eine mögliche Konsequenz wäre die Zombie-Fortexistenz der Auslandsinstitute gewesen, als Sprachlernschulen ohne eigene Programmmittel - und auf längere Sicht dann wohl das Ende der von Willy Brandt einst als "dritte Säule der Außenpolitik" bezeichneten Kulturinstitution.

Dann kam aber alles anders, die Goethe-Apokalypse fand nicht statt. Im Wesentlich waren es drei Faktoren, die dafür sorgten. Zum einen bekannte sich Außenminister Frank-Walter Steinmeier in einer Deutlichkeit zum Goethe-Auftrag, die man bei seinem Vorgänger schmerzlich vermisst hatte. Unter Fischer war das Schlagwort von der "public diplomacy" aufgekommen - hinter dem sich eine Instrumentalisierung der Kultur verbarg, ihre Indienstnahme als Fortsetzung der politischen Diplomatie mit (gar nicht so) anderen Mitteln. Für den Gedanken, dass die "Kultur Eigensinn und einen autonomen Entfaltungsraum" braucht, gab es, so Bruno Fischli, Leiter der Programmabteilung "Künste", im Außenamt unter Fischer eher wenig Verständnis.

Tatsächlich ist seit Steinmeiers Übernahme des Außenamts ein erstaunlicher Paradigmenwechsel im sozialdemokratischen Kulturverständnis zu beobachten. Ungewohnte Töne waren etwa in seiner Rede zur Eröffnung des Kongresses "Perspektive Europa" zu vernehmen. Nachdrücklich fordert er die Offenheit für kulturelle Differenzen, für "Missverständnisse und Unverständnis" innerhalb der eigenen wie auch zwischen fremden Kulturen. Der Raum, in dem diese Differenzen ohne Leitkulturbehauptungen, ohne Konsenszwang und Ergebnisdruck ausgetragen werden, ist der Eigenbereich der Kultur. Die Politik, betont Steinmeier, habe sich in den Bereich der Kunst nicht einzumischen, es gehe vielmehr einzig darum, "Raum, ausdrücklich: Räume zur Verfügung zu stellen". Die Politik schützt die Freiräume der Kunst - und im Ausland stehen dafür sehr konkret und ausdrücklich die Räumlichkeiten der Goethe-Institute.

Die Goethe-Präsidentin Jutta Limbach spricht denn auch ausdrücklich von einer "Trendwende" und fügt hinzu: "Ich will nicht verschweigen, dass mir das wohltut, wie sehr sich Frank-Walter Steinmeier für das Goethe-Institut einsetzt." Konsequenterweise hatte die neue Aufmerksamkeit des Auswärtigen Amts auch finanzielle Folgen. Das entstandene Defizit wurde mit einem erstmals wieder erhöhten Zuschuss kompensiert - und die Hoffnung, dass in den nächsten Jahren eine Steigerung der Programmmittel möglich sein wird, ist groß und wohl auch berechtigt. Nun, da die Lage stabilisiert ist, sieht Limbach den Zeitpunkt gekommen, ihr Amt abzugeben. Nachfolgen wird ihr im nächsten Jahr voraussichtlich der ehemalige Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz und langjährige Goethe-Vize Hans-Peter Lehmann.

Nicht zuletzt trägt auch das Goethe-Institut selbst durch einschneidende Strukturreformen zur Verbesserung der Finanzlage bei. Binnen kürzester Zeit haben die McKinsey-Mitarbeiter einen vom Vorstand inzwischen in den zentralen Punkten abgesegneten Kürzungsvorschlag erarbeitet. Er sieht vor allem Einschnitte bei der Münchner Zentrale vor, in der sozialverträglich rund 50 Stellen abgebaut werden sollen. "Es ist ein schmerzlicher Schritt, aber er war notwendig", versichert Generalsekretär Knopp. "Was wir dringend brauchten", verteidigt er die Einladung der Unternehmensberater, "war der unvoreingenommene Blick von außen."

Die wesentlichen Elemente der Reform sind der Abbau bürokratischer Strukturen in der Zentrale, damit verbunden die Verlagerung von Verantwortung auf die einzelnen Regionen und die flexiblere Verfügung über Haushaltsmittel dank der Umstellung von kameralistischen Jahresplänen auf betriebswirtschaftliche Budgetierungsmodelle. Letztere bieten mehr Verantwortung und Flexibilität in der Nutzung der vorhandenen Mittel.

Kritiker bemängeln allerdings auch die damit einhergehende verschärfte Rechenschaftspflicht. "Ein wenig wird sich auch das Goethe-Institut öffnen müssen für messbare Wirkung", räumt Christoph Bartmann ein. Das heißt auch, dass man mit einzelnen Projekten von Fall zu Fall nach "größerer Sichtbarkeit" und verstärkt nach öffentlicher Aufmerksamkeit streben müsse. "Es wird in Zukunft jedes Jahr bestimmte Schwerpunkte geben", fügt Hans-Georg Knopp hinzu, "auf die sich die Zentrale und die Regionen gemeinsam einigen. Wichtiger ist und bleibt aber die tägliche Arbeit der Institute vor Ort. Dafür wird auch in Zukunft der Großteil der Projektmittel zur Verfügung stehen."

Mit einer Tendenz in Richtung "Eventkultur" habe das, wie alle GesprächspartnerInnen entschieden versichern, sowieso gar nichts zu tun. Immer wieder wird als leuchtendes Beispiel Christoph Schlingensiefs Inszenierung von Wagners "Fliegendem Holländer" im brasilianischen Manaus angeführt. "Das war eben nicht so", erläutert Bruno Fischli, "dass da deutsche Hochkultur mit dem Fallschirm abgeworfen wurde. Dem Ereignis, das 38.000 Zuschauer begeistert verfolgten, gingen vor Ort jahrelange Vorarbeiten und Kooperationen voraus." Vor allem die Finanzierung des Projekts gilt im Goethe-Institut als vorbildlich. "Das hat uns nicht mehr als 20.000 Euro gekostet", erklärt Knopp, den Hauptteil hat neben der Bundeskulturstiftung der brasilianische Bundesstaat Amazonien bezahlt.

Eine weitere zentrale Frage ist die nach der möglichen Verlagerung regionaler Schwerpunkte. "Europa ist nicht der Nabel der Welt", stellt Jutta Limbach kategorisch fest. Was aus dieser Erkenntnis folgt, ist allerdings weniger klar. "Es wird keine Institutsschließungen geben", versichern Limbach und Knopp unisono. Einschnitte allerdings schon. Kopenhagen im letzten, Toronto in diesem Jahr dürften dabei Modellcharakter haben. In beiden Fällen wird an Räumlichkeiten gespart - und an der Bibliothek. "Welchen Sinn hat es", fragt Knopp, " Bibliotheken mit lächerlichen Ankaufsetats an Orten aufrechtzuerhalten, an denen man beispielsweise in Unibibliotheken viel besser deutsche Bücher finden kann?" Aus Goethe-Bibliotheken werden in westlichen Großstädten Service-Zentralen, in denen der Fragende erfährt, wo er andernorts findet, was er sucht. Den Verlust handgreiflicher Präsenz müsse man da, so Knopp nicht ohne Bedauern, in Kauf nehmen.

Was jetzt ansteht, ist die Diskussion der durch die Finanzengpässe in den letzten Jahren in den Hintergrund geratenen Grundsatzfragen nach der Ausrichtung der Goethe-Institute in einer veränderten Welt. Der verstärkte Einsatz im islamischen Raum, in China und wohl auch in Afrika ist beschlossene Sache. Wie sich deutsche Kultur auf diesem teils sehr heiklen Gelände präsentierten soll und kann, wird sich erst zeigen müssen. Die Frage nach den Aufgaben der Goethe-Institute ist damit zum Teil neu gestellt - etwa als Frage danach, in welchen Grenzen handfeste kulturelle und ideologische Differenzen in den Goethe-Räumlichkeiten zum Austrag kommen. Immerhin sind die Mittel jetzt wieder da, um Wege zu finden auf dem schwierigen Gelände. Das Außenministerium signalisiert, dass es Spielraum gibt: Die Herausforderung fürs Goethe-Institut wird es sein, ihn geschickt zu nutzen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!