: Gnadenlose Justiz
■ betr.: "Giftgas-Blockierer im Knast", taz vom 1.8.90
betr.: „Giftgas-Blockierer im Knast“, taz vom 1.8.90
(...) Allzuoft haben wir in der Friedensbewegung erlebt, wie gnadenlos die Justiz ebenso wie die politische Führung reagieren oder - wenigstens bis jetzt - nicht reagieren, obwohl es um Leben oder Tod eines Menschen, der nicht nur über Frieden und Abrüstung geredet hat, sondern dafür mit seinem ganzen Leben einsteht.
Heute hinkt das Justizwesen mit seiner „Recht-Sprechung“ zumindest bei uns in der BRD - hinter der aktuellen politischen Entwicklung hinterher. Das war allerdings in der Zeit der NS-Diktatur anders. Damals stand die Justiz in der Mehrzahl aller Fälle, zum Beispiel wegen politischem Widerstand, Desertion, „Wehrkraftzersetzung“ etc. voll hinter der verbrecherischen Regierung. Nach 1945 wurden die Nazi-Richter kaum zur Rechenschaft gezogen.
Und heute scheint es vielen deutschen Richtern ebenso an der vom Bundespräsidenten gerühmten Zivilcourage zu fehlen, um politisch unabhängige Urteile gegen Vertreter der Friedensbewegung zu fällen. Die Bundesverfassungsrichter geben ihnen sogar die Möglichkeit, friedliche Demonstrationen gegen Giftgas, Atomwaffen nicht als „verwerfliche Nötigung“ zu bestrafen, sondern als Äußerungen von Meinungsfreiheit in einer Demokratie zu interpretieren.
Gorbatschow, dessen „neues Denken“ wesentlich zum historischen Wandel in der Weltpolitik, vor allem in Osteuropa, beigetragen hat, zitiert das klassische griechische Wort „Alles fließt“. In unserer dynamischen Gegenwart sollten auch in der Justiz Entscheidungen für den Frieden mögich sein. Denn auf die uralte Frage „Was ist Gerechtigkeit?“ antworte ich: Gerechtigkeit ist die Liebe zum Mitmenschen, ist Menschlichkeit!
Laßt Michael Düllmann sofort frei.
Herta Kypke, Bonn (BRD)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen