Glosse: Tipps vom Meinungsführer
Der Atomkonzern Vattenfall will von der taz wissen, wie er seine Öffentlichkeitsarbeit verbessern kann. Da helfen wir natürlich gerne!
Vattenfall macht derzeit eine Umfrage unter Journalisten. Damit soll ein „Input zur Verbesserung unserer Öffentlichkeitsarbeit gewonnen werden“, schreibt der Vattenfall-Datenschutzbeauftragte Jürgen Würbel. Und tatsächlich gibt es bei der Öffentlichkeitsarbeit des Unternehmens schon seit längerer Zeit erhebliche Defizite.
So stellte sich im Jahr 2002 heraus, dass die Strategie, eine Knallgas-Explosion am Atomkraftwerk Brunsbüttel zwei Monate lang zu vertuschen, nur während eines Zeitraums von gerade einmal zwei Monaten gut funktioniert. Auch der schwere Störfall im Atomkraftwerk Forsmark im Jahr 2006 mit einem Kurzschluss im Umspannwerk und dem gleichzeitigen Defekt von zwei der vier Notstromdiesel stieß in Politik, Medien und Bevölkerung auf recht zurückhaltende Begeisterung. Und dann scheiterte die Kommunikationsabteilung des Unternehmens auch noch dabei, einen Transformatorbrand am Atomkraftwerk Krümmel im Jahr 2007 als ungefährlich darzustellen.
2009 engagierte Vattenfall dann als Pressesprecher in Berlin den PR-Profi Hannes Hönemann, der bis dahin Sprecher der Landes-SPD war und als solcher bestens vernetzt ist. Dennoch wird der unsympathische Energiekonzern, dessen oberstes Augenmerk auf dem Profit liegt, bis heute geplagt durch sein öffentliches Image als unsympathischer Energiekonzern, dessen oberstes Augenmerk auf dem Profit liegt. So gelang es Vattenfall zum Beispiel auch nicht, die Bewohner der abzubaggernden Dörfer in Brandenburg von den Vorzügen eines Tapetenwechsels zu überzeugen. Stattdessen demonstrieren die jetzt ständig überall herum und beschweren sich, nur weil sie ihre Heimat verlieren sollen. Und dann meckert auch noch Greenpeace wegen des CO2-Ausstoßes bei der Kohleverbrennung.
Liste mit Meinungsführern
Doch jetzt lernt Vattenfall aus den Fehlern der Vergangenheit. Für die Umfrage zur Verbesserung der Öffentlichkeitsarbeit hat das Unternehmen daher „eine Liste mit Meinungsführern“ erstellt, schreibt Würbel: „Das sind Personen, die mit unserem Bereich Öffentlichkeitsarbeit in beruflichem Kontakt stehen bzw. standen. Herr Heiser wurde als Redakteur der taz in diesen Personenkreis einbezogen.“
Herr Heiser mochte an der telefonischen Befragung allerdings nicht teilnehmen, wie er der Anruferin mehrfach versichert hat. Aber hier trotzdem noch unsere Tipps für Vattenfall: Vielleicht ist es ja gar nicht eure Öffentlichkeitsarbeit, die so schlecht ist, sondern eure Energiepolitik. Wenn euch ein positives Image wirklich so wichtig ist, dann schaltet einfach eure Atomkraftwerke ab, hört mit dem Abbaggern von Braunkohle auf und - vor allem - belästigt Meinungsführer nicht mit unerwünschten Telefonanrufen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Landesparteitag
Grünen-Spitze will „Vermieterführerschein“
Die Wahrheit
Herbst des Gerichtsvollziehers