■ Glosse: Matz und Mätzchen
„Achtung, Achtung, hier spricht die FDP!“ Wer? Altgediente Redaktionsmitglieder erinnern sich an eine Splitterpartei mit überproportional großem Einfluß auf die Berliner Politik. All den jungen KollegInnen, die darüber rätseln, wofür genau eigentlich die Abkürzung steht, helfen die selbsternannten Liberalen auf die Sprünge: Täglich mindestens einmal quält uns das Faxgerät mit einer Meldung der FDP zu den großen Themen der Zeit, die ohne die kleine Partei stattfinden: Der Vorsitzende Matz zum Sparhaushalt, zur Verwaltungsreform, zum Zustand der Koalition etc. Neben diesen „F.D.Pressemitteilungen“, die sich nach Inhalt und Bedeutung etwa mit denen der „Deutschen Biertrinker Union“ messen, erleiden die KollegInnen alltäglichen Telefonterror („Wir als Liberale meinen dazu“) bis hin zur offenen Drohung mit einem Redaktionsbesuch durch den Parteivorsitzenden: Zwei Stunden Zeit nur für uns. Was will der Mann hier? Faxe sortieren? „Martin Matz mixt mit“, die Postkarte mit dem irre komischen liberalen Polit-Rezept im Cocktail-Shaker, ist der Ladenhüter in allen Kneipen. Und Faxe, Faxe, Faxe über immer neue Mätzchen.
Ab und zu landet die seit der letzten Wahl hart an der Nachweisgrenze hängende Partei einen echten Medien-Coup. So mit ihrem unerbetenen Angebot an den Grünen Gerd Poppe, bei einem Parteiaustritt doch die lichten Reihen der FDP zu verstärken. „Bürgerrechte spielen in der FDP immer noch eine zentrale Rolle“, verkündet Matz lauthals – als habe es das Einknicken beim Lauschangriff und beim Asylrecht nicht gegeben. Doch einem prominenten politischen Flüchtling bietet die Partei gern Asyl und erringt damit einen Medienerfolg. Alle schreiben über die Meldung, als sei sie ein ernstzunehmendes Angebot einer ernstzunehmenden Partei. Und selbst die taz schreibt hiermit über die FDP und ihre Medienzuckungen – wenn auch nur aus Barmherzigkeit zum Fest der Liebe. Bernhard Pötter
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