■ Glosse: Wahlkampfmusik
Vorbei die Zeiten, in denen Willy Brandt und seine Enkel den Ton angaben. Nix mehr mit „Brüder, zur Sonne, zur Freiheit“ – jung und frech muß sie sein, die Wahlkampfmusik am Ende der Ära Kohl. So irgendwie nach dem Motto der Schülerband Scavanger, die den auftraggebenden Sozis („Schröders Roadshow“) den Marsch blies: „Wir werden handeln/ das Land verwandeln/ und es kann wieder richtig aufwärts gehen.“
Banal? Ausdruck politischer Sprachlosigkeit? Pah! Wer nicht merkt, wo die Musik spielt, hat auf der Wahlkampfbühne nichts verloren. Das gilt nicht nur für die Sozis, sondern auch die Grünen, die bereits einen unterschriftsreifen Vertrag mit Deutschlands beliebtestem Massenentertainer („Gott hilf Fischer“) in der Tasche haben. Selbst die PDS hat inzwischen die Schalmeien weggelegt und punkt in ihren Partykellern mit Petra und den Testtubebabies. Und die FDP? Die hat sich die Fußballstadien ausgesucht, um sich mit „Westerwelle“ und „Go- West“ gleich selbst zu überholen.
Nur die CDU wollte bisher nicht singen. Als Ghettoblaster blieb Schönbohm im Regen stehen, und selbst Roman Herzog blieb der Einstand als schwarzer Ruck-Rapper versagt. Wie schrieb selbst ein Kultursoziologe: „Auf dem geordneten Rückzug singt man andere Lieder als beim heroischen Sturm auf die Festung!“ Doch das könnte sich bald ändern. Einen, wenn auch bescheidenen, Anfang hat nun CDU-Kultursenator Peter Radunski gemacht. Gestern auf einem Richtfest verzichtete auch der Zigeunerbaron auf das gesprochene Wort und widmete sich dem gereimten: „So wird dereinst hier musiziert, gelernt, geübt und auch probiert; und spielen alle, Hand in Hand, Orchester wird das dann genannt.“ Wir meinen: Zugabe. Uwe Rada
Bericht Seite 24
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