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Jasmin RamadanEinfach gesagtGlitzer, Katzen, Sucht und Liebe

Foto: Roberta Sant'anna

Guten Morgen, ihr Lieben (lachendes Son­nenemoji), was hat euch zuletzt noch beschäftigt, außer Corona. Darüber schreib ich vielleicht meine Kolumne.

Verschicke ich als Nachricht an gute Freunde und die Familie.

Mein Kackjob!!!!

Die Erkenntnis, dass ich als einzige nicht mitbekommen habe, dass Xavier Naidoo schon lang ein Fascho ist.

Die Situation an der türkischen Grenze.

Mein perfekter neuer Sport-BH, man vergisst, dass man Brüste hat, Brüste sind nur im Weg.

Dass mein Vater eine neue Freundin hat, die bei ihm wohnt, ohne dass er es jemandem erzählt hat.

Ich glaube, dass ich es niemals schaffen werde, mit dem Rauchen aufzuhören. Nicht, weil ich es nicht will, sondern weil ich es wirklich nicht kann.

Die visuelle Umsetzung des Themas Vielfalt lässt mich gerade komplett scheitern.

Lesbos. Leidende Kinder. Leidende Erwachsene.

Der perfekte Crêpe mit Schokoladensoße und gerösteten Mandeln von diesem neuen Laden in der Osterstraße.

Meine intensiven Kindheitserinnerungen an den Krieg, weil meine beste Freundin von damals vor Kurzem gestorben ist.

Die Langsamkeit von Kassierern in Biosupermärkten, die Gelassenheit von Kunden in Biosupermärkten, sie stehen immer im Weg, ohne es zu merken.

Die Tröstlichkeit von Ironie.

Warum habe ich niemals Fernweh?

Mein Alkoholkonsum. Ich denke ständig darüber nach, ob ich zu viel trinke.

Warum ich mich noch mit meinem Ex treffe.

David Hockney im Bucerius Kunst Forum.

Nach dem Sport bin ich immer traurig.

Dass meine Badewanne der einzige Ort ist, an dem ich glücklich bin.

Dass ich meinen Halbbruder zum ersten Mal getroffen habe und wir gar nichts gemeinsam haben.

Dass alle Pflanzen, die meine Mutter mir schenkt, eingehen, egal, wie ich sie behandele.

Dass mein Stiefbruder seinen Dealer zu uns bestellen wollte, als er bei uns zum Frühstück war.

Dass ich Germanys Next Topmodel geguckt habe und am Ende dachte: Wow, Schönheit kommt wirklich von innen.

Dass ich Woody Allen noch immer verehre und nicht glaube, was seine Tochter sagt, sondern Mia Farrow ihr Kind aufgrund von gebrochenem Herzen aufgehetzt und manipuliert hat.

Woher weiß ich, dass ich mich selbst liebe?

Menschen, die im Gehen essen, machen mich aggressiv.

Warum sind Skandinavier die besseren Humanisten?

Was genau bedeutet Föderalismus?

Franzbrötchen mit Erdnussbutter.

Rassismus.

Ein defektes Fenster, durch das hindurch es auf meinen Computer regnete.

Die Rentnerfete meiner Mutter.

Die nervig exzessive Immobiliensuche einer Freundin.

Dass die AfD nur teilweise vom Verfassungsschutz beobachtet wird.

Dass ich keine deutschen Männer mehr daten werde.

Nackt Yoga.

Dass Weinstein 23 Jahre gekriegt hat.

Weinsteins Performance vor Gericht.

Dass Weinstein kurz mein Mitleid erregte.

Das tolle neue Fauler-Otter-Emoji.

Mein Bandscheibenvorfall.

Meine Migräne.

Meine Rückenschmerzen.

Was ist schlechte Kunst?

Bin ich ein guter Mensch?

Ist irgendjemand in mich verliebt?

Mit wem könnte ich schlafen?

Soll ich das Buch weiterlesen, obwohl ich es hasse?

Warum miaut meine Katze seit einer Stunde, obwohl sie gut gegessen hat und ihr Klo sauber ist?

Die Legalisierung der Sterbehilfe.

Warum macht Glitzer mich glücklich?

Vielen Dank!

Jasmin Ramadan ist Schriftstellerin in Hamburg. Ihr letzter Roman „Hotel Jasmin“ ist im Tropen/Klett-Cotta Verlag erschienen. In der taz verdichtet sie im Zwei-Wochen-Takt tatsächlich Erlebtes literarisch.

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