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Glaube versetzt Berge Von Mathias Bröckers

Der berühmt-berüchtigte Placebo-Effekt, die Heilung selbst schwerster Krankheiten mit wirkstofflosen Medikamenten, ist einmal mehr auf eindrucksvolle Weise bestätigt worden. Nach den Ergebnissen einer Studie an 7.000 Patienten in Kalifornien fühlten sich 70 Prozent der Kranken nach der Behandlung mit Placebo-Präparaten geheilt. Die Sache funktioniert, „wenn Arzt und Patient an die Effektivität der Therapie glauben“, so Alan Roberts, der Leiter der Studie, deren Ergebnisse in der Clinical Psychology Review erschienen sind. Getestet wurden Behandlungsmethoden für Asthma und Herpes simplex aus den 60er Jahren, die sich inzwischen als „medizinisch unwirksam“ erwiesen haben. Aber was heißt hier „medizinisch unwirksam“? Einfache Antworten auf die Frage, was „wirksam“ ist, werden durch den Placebo-Effekt gerade verhindert, denn es ist ja offensichtlich nicht die materielle Meßbarkeit eines Stoffs, die über die Wirkung entscheidet. Bei einem Placebo-Experiment in den 70er Jahren wurde einer Versuchsgruppe ein starkes Beruhigungsmittel gegeben, einer anderen ein Aufputschmittel, wobei ein Proband aber das jeweils andere Präparat erhielt. Die Gruppen wurden in zwei Versuchsräumen beobachtet, Ergebnis: Der aufgedrehten Stimmung im „Upper“-Raum konnte sich auch derjenige nicht entziehen, der einen starken „Downer“ eingenommen hatte, während in dem anderen Raum alles einschlief, einschließlich des Probanden mit dem Aufputschmittel, der es in dem Glauben genommen hatte, ein starkes Beruhigungsmittel zu testen.

Das Zusammenspiel von Geist und Abwehrsystem untersucht die Psychoneuroimmunologie, eine neue medizinische Disziplin, die bei den großen Heilern der Geschichte allerdings schon zur Grundausstattung des Notfallkoffers gehörte. Deshalb entdecken die Weißkittel-Schamanen unserer Tage nur neu, was ihre Kollegen in allen Kulturen der Welt seit Jahrtausenden wußten: daß die Wurzel der Krankheit weniger in den Organen als im seelischen, feinstofflichen Bereich zu suchen ist. Paracelsus zum Beispiel war überzeugt, daß überhaupt nur der „siderische (seelische) Leib“ zur Krankheit fähig sei und sich die körperlichen Symptome zu dieser Störung verhielten wie der Abdruck zum Fuß. Die Psychoneuroimmunologen unserer Tage sind von diesem Stand des Wissens nicht mehr weit entfernt, wenn sie die provokante These äußern, daß 99 Prozent aller medizinischen Heilerfolge auf Placebo-Effekte zurückzuführen seien. Wohlgemerkt: nicht die Heilerfolge der Homöopathie und Alternativ-Medizin, denen von den orthodoxen Wissenschaftlern gern vorgehalten wird, sie heilten zu 100 Prozent mit Placebo-Effekten, sondern die der klassischen Medizin. Nun mag man zwar bezweifeln, ob etwa ein Placebo-Bypass oder -Herzschrittmacher wirklich funktionieren würde — den Versuch wären solche simulierten Operationen aber sicher einmal wert. Ja, angesichts der explodierenden Kosten im Gesundheitswesen scheint die Placebo- Medizin fast der einzige Ausweg zu sein. Die Ausbildung der Ärzte müßte dazu völlig umgekrempelt werden: Nicht was der Doktor verschreibt, ist die entscheidende Frage, sondern wie er es verschreibt.

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