piwik no script img

GlamourWenn Künstler nur noch Marken sind

Die Ausstellung "Pop Life" zeichnet die künstlerische Selbstvermarktung seit Andy Warhol nach. Damit dürfte die Hamburger Kunsthalle einen weiteren Vermarktungscoup gelandet haben - so manches aber lässt der absehbare Publikumsmagnet vermissen.

Wo der Zuschauer zum Voyeur wird: Jeff Koons "Made in Heaven - Starring: Jeff Koons and Cicciolina" (o.) aus dem Jahr 1989 hat in Hamburg einen prominenten Platz erhalten. Bild: Hamburger Kunsthalle

Stimmt es denn überhaupt, dass der arme Künstler kreativer ist? Dass ein "authentischer" Künstler pflichtschuldig die Konsumwelt meidet - so, wie es Generationen von Kunstkritikern gefordert haben? Die Ausstellung "Pop Life", die jetzt in Hamburg zu sehen ist, verneint all das. Kunst und Kommerz, behauptet sie vielmehr, gehören zusammen. Mehr noch: Kommerz ist die Fortsetzung der Kunst mit anderen Mitteln.

Pop Art-Ikone Andy Warhol, so die These der 320-Exponate-Schau, habe das als Erster begriffen: "Gute Geschäfte sind die beste Kunst." Warhols späte Phase habe keineswegs das blutleere Ende seiner Kreativität markiert. Sondern vielmehr eine Neudefinition von Kunst, die weit in die Zukunft hinein gewirkt habe: Da war einerseits die Idee der exzessiven Selbstvermarktung und des Eintauchens in die High Society bei minimalem Restabstand. Andererseits der Versuch, Mechanismen der PR zu nutzen und die Medien systematisch mit der Marke Warhol zu füttern. Und das sehr effektiv: Warhol, Übervater der Ausstellung, die in London konzipiert wurde und hierzulande nur in Hamburg zu sehen sein wird, wurde sozusagen Teil des Systems - und profitierte davon.

In den nachfolgenden Generationen machte dann der Begriff des "trojanischen Pferds" die Runde: Propagiert wurde in den 1970ern und 80ern das Einschleusen in Schlüsselpositionen von Kunstbetrieb, Öffentlichkeitsarbeit und Kommerz. Prominente Beispiele in "Pop Life" sind etwa Cosey Fanni Tuti, die im echten Leben ganz konkret als Pornodarstellerin arbeitete. Oder Andrea Fraser, die für Geld mit einem Sammler schlief und das auch noch auf Video dokumentierte.

Offen bleibt dabei vielleicht die Frage, wohin solch eine "Überidentifikation" von Künstlern mit dem jeweils unterwanderten System führt - und wie lange man eigentlich noch von Subversion sprechen kann. Diese Feinheiten allerdings scheinen die Künstler, die hier gezeigt werden, kaum zu interessieren. Zwar hängt da auch ein "Selbstporträt" Ashley Bicertons - eine Leinwand, bedeckt mit den Labels all dessen, was die Künstlerin so konsumiert. Lieber aber folgen die Kuratoren bereitwillig den Spuren der Selbstinszenierer, die sie, kaum vermeidlich, abermals inszenieren.

Da wäre etwa Jeff Koons, so wie Warhol ein Verwerter alltagskultureller Objekte, der auf - zuweilen schlichte - Schlüsselreize setzte. Sein berühmtes Plakat "Made in Heaven" ist in Hamburg prominent platziert - als ginge es darum, überdeutlich zu machen, dass der Betrachter hier zwangsläufig zum Voyeur wird vor diesem Bild, das den nackten Koons mit seiner (fast) nackten späteren Ehefrau, der Porno-Darstellerin Cicciolina, zeigt. Es wirkt wie ein Filmplakat, und man kann sich fragen, ob man den so annoncierten Streifen würde sehen wollen.

Was das angeht, ist "Pop Life" geradezu gnadenlos: Es folgen Skulpturen und weitere Fotos vom Geschlechtsverkehr des Glamour-Paars. Kuratoren wie auch das Publikum balancieren gemeinsam zwischen Kitsch und Kunst - vermutlich ganz so, wie Koons es wollte.

Auch dessen Strategie ging ja auf: Koons Arbeiten erzielten horrende Preise, Boulevardblätter transportierten sein Foto in den letzten Winkel. Unerbittlich die Parallele zur Inszenierung etwa nordkoreanischer Diktatoren, die sich mit Visionärsblick auf Bergen porträtieren lassen. Der Unterschied in der Ästhetik ist minimal - allein: Die Diktatoren wollten politische Systeme verkaufen und, mehr noch, Macht zementieren. Dagegen suchten die nun in Hamburg gezeigten Künstler sich selbst zur dominanten Marke zu machen, zum Teil des Mainstreams. Ja, vielleicht gar einen Personenkult zu erschaffen, wie es auch der in einem eigenen Raum gewürdigte Martin Kippenberger tat: aufdringlich, unausweichlich und laut.

Geradezu glücklich ist man da angesichts eines Keith Haring, dessen 1986 in SoHo eröffneten "Shop" die Kunsthalle rekonstruiert hat - mit Graffiti, Musik und T-Shirts hinter der Verkaufstheke. Auch Haring wollte, ja, verkaufen. Aber er inszenierte nicht sich selbst, sondern seine -Strichmännchen. Die er auch anfangs nicht der zahlungskräftigen Haute Volee schenkte, sondern dem "Volk", das etwa in U-Bahn-Schächten an seinen Zeichnungen vorbeiging. Auch in in Hamburg übrigens kann man jetzt seine T-Shirts kaufen. Eine Aktion, die Mitnahme- und Mainstream-Mentalität der Massen offenbarend. Haring als einziger politischer Künstler hier?

Andererseits: Ist Takashi Murakami, dessen lebensgroße, vollbusige "Hiropon"-Figur da steht, nicht politisch? Immerhin behauptet der Japaner, er wolle die US-amerikanische Kulturhegemonie brechen und ein originär japanische Ästhetik implementieren. Sein - ironischer? - Fundus: bonbonrosa Manga-Figuren, die er baut und auf Sockel stellt. Deren Miniatur-Kopien er günstig verkauft. Er hat Taschen entworfen, die basisdemokratische Kunstmesse "Geisai" erfunden und pflegt ansonsten ein nationalistisch-professorales Image. Das Perfide dabei: Murakami erfindet alle Komponenten selbst - die angeblich "japanische Ästhetik" inbegriffen. Und kommt damit in Japan überraschend gut durch. Vielleicht deckt er tatsächlich einen Mangel seiner Landleute an ästhetischem Selbstbewusstsein auf.

Ästhetisch und politisch selbstbewusst: Ist es diese Ausstellung, die in eine Auswahl jener vergoldeten Werke mündet, die der Brite Damien Hirst am Vorabend der Finanzkrise für rund 111 Millionen Pfund veräußerte? Zunächst einmal kleistert sie ausgesprochen disparate Künstler zusammen, reduziert sie auf den Aspekt der Selbstvermarktung. Dann kopiert sie schlicht die Strategien der Ausgestellten.

Im Grunde ist "Pop Life" die konsequente Fortschreibung der Auktion des Damien Hirst: Dieser testete die finanzielle und ästhetische Schmerzgrenze des Publikums, er pokerte hoch - und gewann. Das Museum wiederum, nicht ganz so finanzstark, sucht vom Mythos Hirst zu profitieren - und gleichfalls Geld zu verdienen. So wie es das mit "authentischer" Kunst, siehe oben, freilich auch täte.

"Diese Ausstellung bietet Farben, bietet Musik, sie ist sinnlich, sie soll Spaß machen", sagt die Hamburger Co-Kuratorin Annabelle Görgen-Lammers. Was stimmen mag, zugleich aber auch suggeriert, dass die Hamburger Kunsthalle verzweifelt nach Besuchern lechze und keine Mittel scheue, die Massen mit klingenden Namen zu bedienen. Wodurch diese Ausstellung über Oberflächlichkeit und Ambivalenz von Eigen-PR selbst zu einem glänzenden Beispiel eben dafür geworden wäre.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!