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Girls, Girls, Girls

■ Caroline Chaniolleau und der Mangel an Frauen–Rollen

Aus Venedig Arno Widmann

Miniaturgesicht, darüber gespannt die Haut aus Kakao, unten penibel aufgereihte weiße Zähne, oben braune weiche Rehaugen und - alles begrabend - in stundenlanger Arbeit täglich erneuerte Locken. Ich kann sie nicht mehr sehen, diese Ragazze. Sie geben dir den Katalog, den Schlüssel fürs Pressefach, sie führen dich an deinen Platz, drücken dir das Mikrophon in die Hand, sie sind alle hübsch. In Berlin würdest du dich umdrehen nach ihnen, aber hier hast du sie am vierten Tag satt. Ragazze werden sie alle genannt und du weißt nicht, ob sie 14 oder 40 sind. Sie sind die eigentliche Bevölkerung, die Ureinwohner dieser Filmfestspiele. Freundlich, ein wenig kokett, immer in Gruppen. Ich sehne mich nach Frauen. Groß und blond, mit hohen, breiten Stirnen und Backenknochen, die so hoch stehen, daß zwischen ihnen und dem Kinn Landschaften wie von Lorrain Platz fänden. Der puppig–kleinteiligen Hübschheit bin ich überdrüssig. Ich habe wieder meinen Biennale–Koller. Trotzdem, es ist was dran. Caroline Chaniolleau, Hauptdarstellerin in Paulo Rochas Film „Das Wunschbild von einem Mann - die Mondberge“, hat es bitter vermerkt. Für Frauen gebe es keine Rollen im Film. „Und was ist mit Rohmer?“ „Welche Frauen?“ war ihre Antwort, „es sind immer Mädchen, Ragazze, um die es geht. Für Frauen hat niemand eine Rolle.“ Woran das liegt? „Ich weiß es nicht. Aber sehen sie, Filme werden von Männern gemacht und seit Jahrzehnten von immer denselben. Das sind Cliquen, die hocken zusammen und lassen kaum jemand neues heran. Schon gar nicht eine Frau.“ 35 Regisseure sind auf diesem Festival. Zwei davon sind Frauen. Und doch: Warum gehen die Männer ins Kino? Um Frauen zu sehen.

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