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Archiv-Artikel

Giftiger Nachwuchs

EXTREMISMUS Verfassungsschutz sieht Islamisten als größte Bedrohung für die Innere Sicherheit. Sorge bereiten ihm auch antiimperialistische Gruppen

Extreme Zahlen

Drei Gruppen stehen besonders im Visier des Verfassungsschutzes:

■ Ausländische Extremisten: Dieser Gruppe werden 2.985 Menschen zugerechnet, 2.065 davon gelten als Islamisten. Ihnen werden 14 Straftaten angekreidet, darunter drei mit extremistischer Motivation, davon eine Gewalttat.

■ Linksextreme: Dieser Gruppe werden 1.150 Menschen zugerechnet, 570 davon gelten als gewaltorientiert. Ihnen werden 470 Straftaten angekreidet, darunter 70 mit extremistischer Motivation, davon 27 Gewalttaten.

■ Rechtsextreme: Dieser Gruppe werden 480 Menschen zugerechnet, 170 davon gelten als gewaltorientiert. Ihnen werden 321 Straftaten angekreidet, darunter 316 mit extremistischer Motivation, davon 21 Gewalttaten.

Islamisten sind nach Einschätzung des Hamburger Verfassungsschutzes weiterhin die größte Bedrohung der inneren Sicherheit. Auch nach dem Tod von Osama bin Laden habe sich „die Grundgefährdung nicht wirklich verändert“, sagte der stellvertretende Amtsleiter Manfred Murck (SPD) gestern bei der Vorlage des Verfassungsschutzberichts 2010. „Da werden wir wachsam bleiben“, verkündete Innensenator Michael Neumann (SPD), das gelte aber auch „für links- und rechtsextremistische Tendenzen“.

„Ein hohes Maß an Stabilität in den vergangenen Jahren“ konstatierte Murck bei der Zahl der als extremistisch geltenden Ausländer (siehe Kasten). Nur relativ wenige seien gewaltbereit, darunter 200 Islamisten und 40 Jihadisten, also Unterstützer des „Heiligen Krieges“. Die größten nicht-islamistischen Gruppen seien die islamische Gemeinschaft Milli Görüs und die kurdische Arbeiterpartei PKK.

Im Rechtsextremismus sei der Trend rückläufig, sagte Murck. Hauptgrund sei der Tod des Mäzens und NPD-Chefs Jürgen Rieger, der die zentrale Figur der Szene gewesen war. Die Bedeutung der NPD habe abgenommen, auch sei die Zahl der Rechtsextremen erstmals unter die Marke von 500 gesunken.

Stabil sei die Zahl von Linksextremisten und Autonomen, die Anzahl der Straftaten aber ist gesunken. Sorgen bereitet Murck das Erstarken antiimperialistischer Gruppen: Da wachse etwas „in der Ideologie ausgesprochen Giftiges heran“. Zwar wolle er „nicht unsere klassischen Autonomen loben“, so Murck, „aber wie die ticken, verstehen wir seit Langem“. Im Umfeld der neuen Gruppen wie der Roten Szene Hamburg und der Sozialistischen Linken jedoch begingen „jungerwachsene Randalierer Straftaten ohne erkennbare politische Motivation“. Und das sei nicht so leicht zu überwachen. Der größte Teil der nächtlichen Brandstiftungen bei Autos hingegen wird aus Sicht der Verfassungsschützer nicht von Linksextremisten verübt.

Heute soll Murck auf Neumanns Vorschlag vom Senat zum Leiter des Verfassungsschutzes befördert werden. Die Position ist unbesetzt, seit Amtsinhaber Heino Vahldieck (CDU) im August vorigen Jahres Innensenator wurde – für sechs Monate. SVEN-MICHAEL VEIT