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Gift–Gemüse zum Verkauf frei

■ Nach einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts in Berlin darf durch Industrieemissionen vergiftetes Gemüse verkauft werden / Bauer klagte gegen Vermarktungsverbot aus dem Jahre 1979

Berlin (dpa) - Durch Industrieemissionen belastetes Gemüse darf grundsätzlich verkauft werden. Dies entschied am Donnerstag das Bundesverwaltungsgericht in Berlin. Damit wurde ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts Hamburg bestätigt, das ein von der Hansestadt verhängtes Vermarktungsverbot für kontaminiertes Gemüse eines Bauern aufgehoben hatte. Das zuständige Bezirksamt Bergedorf hatte 1979 im Gemüse des Bauern Verunreinigungen durch Alpha– und Beta–HCH–Isomere festgestellt: hochgiftige Verbindungen, die als Nebenprodukt bei der Herstellung des Planzenschutzmittels Lindan anfallen. Mit der Festsetzung von Rückstandshöchstgrenzen von 0,03 mg/kg dieser Chemikalien wurde dem Bauern außerdem verboten, künftig sein Gemüse ohne behördliche Genehmigung zu verkaufen. Da die Verunreinigungen durch Emissionen aus einem Lindan produzierenden Werk des Chemie–Unternehmens Boehringer verursacht wurden, klagte der Bauer gegen den Verwaltungsent scheid. Seine Begründung: Die Höchstmengenverordnung für Pflanzenschutzmittelrückstände von 1978 sei laut Lebensmittelrecht nur dann anzuwenden, wenn er selbst die Chemikalien versprüht habe. Der Dritte Senat des Bundesverwaltungsgerichts begründete sein Urteil mit einer dubiosen Argumentation: Voraussetzung für ein Vermarktungsverbot laut Höchstmengenverordnung wäre gewesen, daß die Schadstoffe, die das Gemüse verunreinigten, tasächlich Pflanzenbehandlungsmittel im Sinne des Pflanzenschutzgesetzes waren. Dies sahen die Richter als nicht gegeben an. Auf die Hansestadt kommen jetzt Schadenersatzforderungen in Millionenhöhe zu.

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