■ Seit Jahren lässt sich die Politik von der Finanzwelt die Regeln aufschwatzen : Gier ist nur ein Teil des Problems
betr.: „Dompteur gesucht“, taz vom 16. 10. 08
Im Zuge der „beispiellosen Rettungsaktion“ zur Bewältigung der Finanz- und Bankenkrise inszeniert sich unsere Regierung derzeit wie die heldenhafte, selbstlose Problemlöserin – mit Erfolg, wie Umfragewerte bescheinigen. Bei genauerem Hinsehen entpuppt sich der so selbstlos aus unser aller Steuergeldern finanzierte Rettungsring für die Banken als genau so eine Luftnummer wie die Blase der Investmentbanker, die diese Krise überhaupt erst ausgelöst hat. Denn genau wie die Banken in Amerika ihre haltlosen Kredite für Immobilien ohne entsprechende Sicherheiten vergaben, so schüttet auch unsere Regierung jetzt ihren Geldsegen ganz ohne angemessene Gegenleistungen und Sicherheiten über die Finanzwelt aus. Dies wundert allerdings wenig, wenn man weiß, dass das Rettungspaket ausgerechnet von Deutsche-Bank-Chef Ackermann mitentworfen wurde. Es scheint, als hätte sich nach einem ersten kurzen Schock in den Politikerköpfen letztlich nichts geändert. Wie seit Jahren lässt sich die Politik immer noch von der Finanzwelt die Regeln aufschwatzen.
So war in den letzten drei Legislaturperioden Oskar Lafontaine leider der einzige, der den ernsthaften Versuch unternahm, durch entsprechende Gesetzgebung die weltweiten Spekulationsgeschäfte der entfesselten Finanzjongleure einzudämmen, und wurde dafür noch bis vor ein paar Tagen belächelt und angefeindet. Alle anderen Politiker haben jahrelang in harmonischem Gleichschritt mit der Finanzwelt dem unkontrollierten freien Markt nicht nur das Wort geredet, sondern aktiv durch entsprechende Gesetze der Deregulierung der Märkte den Boden geebnet. Jetzt von der eigenen Verantwortung für die Misere abzulenken, indem man versucht, das Problem auf die Gier verantwortungsloser Bankmanager zu reduzieren, ist einfach nur erbärmlich. Wirklich verantwortungslos jedoch ist, als gewählte Regulierungsinstanz ganz bewusst und entgegen allen Warnungen bestehende Regeln zur Beschränkung hemmungsloser Gier abgebaut zu haben. Und was noch schlimmer ist: Selbst jetzt, wo bewiesen ist, dass Lafontaine Recht hatte und das Kind tatsächlich in den Brunnen gefallen ist, ist die Politik immer noch nicht bereit, auch nur ein einziges dieser verheerenden Gesetze zur Deregulierung zurückzunehmen. JOSIE BOCKHOLT, Aachen