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Archiv-Artikel

Gib dem Affen Gäste!

Ab heute sendet Harald Schmidt (ARD, 23.00 Uhr) zweimal die Woche. So wie bei der Premiere im Dezember kann es aber nicht weitergehen

VON HANNAH PILARCZYK

Welt am Sonntag: Und auf was hoffen Sie?

Harald Schmidt: Als Exeget des Feuilletons wittere ich: Es besteht der Wunsch nach Vernichtung. Von mir als Fernsehperson.

 Harald Schmidt in der Welt  am Sonntag vom 16. 1. 2005

In einem Schachspiel käme so eine Ansage der Eröffnung mit dem Springer gleich: unangemessen aggressiv, doch für den Gegner reizvoll genug, um ebenso überzogen nachzuziehen. In so medienspektakelarmen Zeiten wie diesen ist ein solcher Zugzwang natürlich ein Glücksfall. Und weil das Spiel mit Schmidt sowieso am meisten Spaß macht, lassen wir uns gern darauf ein und ziehen die steile These vor: Wenn Harald Schmidt so weitermacht wie bei seiner ARD-Premiere am 23. Dezember, wird die Show innerhalb kürzester Zeit so irrelevant wie etwa der „Scheibenwischer“.

Das Problem ist: In seiner Late Night Show bei Sat.1 war Schmidt strengen Formatzwängen unterworfen. Zehn Minuten vorformulierte Stand-up-Comedy, dann zehn bis fünfzehn Minuten Zeit für unchoreografierten Unsinn, zum Schluss wieder zehn Minuten Gespräch mit Gästen, die eher wegen ihres Werbe- denn Relevanzwertes eingeladen wurden. An diesen Formatvorlagen musste sich Schmidt tagtäglich abarbeiten. Dass er daraus – nach einigen durchaus zähen Jahren – eine klasse Show gemacht hat, ist Schmidts großes Verdienst, die Überwindung des Formats seine eigentliche Leistung. Doch bei der ARD gibt es keine solchen Vorgaben mehr. Schmidt ist jetzt selbst das Format. Und das ist nicht gut.

Keine Not mehr, eine tägliche Sendung zu füllen, kein Ringen mehr mit von Gagschreibern vorgeschriebenen Witzen, keine Langeweile mehr mit drittklassigen Gästen – Schmidt sind in der ARD keine Grenzen mehr gesetzt. Er kann sich ungehindert ausbreiten und wie der süße Brei aus dem Märchen über das ARD-Abendprogramm hinausquellen. Dabei gilt für Schmidt dasselbe wie für alle interessanten gesellschaftlichen Phänomene: Erst im Grenzbereich wird es richtig spannend.

Was macht Schmidt, wenn die neueste Viva-Moderatorin zu Gast ist und über nichts als ihre Schuhe reden kann? Wie kann er dem Sat.1-Schauspieler, der schon zum vierten Mal eingeladen ist, noch etwas abgewinnen? Man muss nicht sadistisch veranlagt sein, um solche Konstellationen interessant zu finden. Aber ein bisschen Häme war schon angebracht, wenn mal wieder Sarah Connor zu Gast war und Schmidt erst ihren Gesang, dann das Gespräch mit ihr durchstehen musste. Der größte deutsche Late-Night-Talker knietief im Promotion-Dreck – wenn Schmidt das Joch des Privatfernsehen tragen musste, war das fast immer sehenswert.

Deshalb müssen ganz schnell wieder Gäste in die „Harald Schmidt Show“. Gäste, die nichts zu sagen haben und die die Star-Armut dieses Landes aufs Schmerzlichste verdeutlichen. Schmidt soll wieder leiden müssen – an seiner Arbeit, an Deutschland. So wie wir es alle irgendwie tun.

Alles andere verspricht eine sterbenslangweilige Sendung zu werden, in der „Chefdramaturg“ Manuel Andrack stellvertretend für die gesamte Gesellschaft als Spiegel herhalten muss. Deshalb setzen wir hier auch schon mal völlig voreilig darauf, dass Schmidt seine Dreißig-Minuten-nur-Schmidt-Show nicht durchhalten wird. Über kurz oder lang werden bestimmt wieder Nebendarsteller wie „der scharfe Sven“ eingeschleust werden. Und wenn es dann irgendwann auch wieder Gäste gibt, dann wird sich Schmidt endlich auch wieder um die Welt drehen – und nicht die Welt um Schmidt.