hamburger szene : Gewollter Telefonterror
Ich komme aus der Provinz, genauer: aus einer Stadt, die zu Zeiten der Römer Bollwerk gegen die unrasierten Barbaren aus der Pfalz war. Und später dank preußischer Obhut aus einem kleinen Jungen den bärtig brummenden Vordenker des Kommunismus machte. In der Stadt, aus der ich komme, werden Wohnungen nicht gesucht, sondern gefunden. Anders als in Hamburg.
Seit kurzem biete ich hier über diverse Wohngemeinschaftsportale mein Zimmer als vakant feil. „Eingabe bestätigen“ klicke ich an und gebe – naiv, wie man als Hinterwäldler nun mal ist – meine Telefonnummer preis und auch meine E-Mail-Adresse. Fehler. Als die linke Maustaste gerade wieder in den Ursprungszustand zurück schnappt, klingelt auch schon mein Handy. „Klasse“, denke ich noch, um bald vom Gegenteil überzeugt zu sein. Ich verfluche die Wohnungspolitk der Freien und Hansestadt. 10, 20, 30, 40 Interessenten melden sich, „wegen der Wohnung, weißt schon“. Ob die noch frei sei, fragen sie und ich sage: „Ja“ und denke: „leider“.
Am liebsten würde ich den erstbesten einziehen lassen – unter der Bedingung, dass ich tausende Euro als Maklercourtage bekomme und er mir bitte sein Führungszeugnis, die Lohnabrechnungen der letzten zehn Jahre sowie die Elternbürgschaft vorlegt. Diese Vorstellung macht mich müde und ich schlafe ein. Ich träume von dreisten Maklern, vor denen man Handstand machen muss und auf einem Bein Ballett tanzen.THOMAS EWALD