Gewerkschaften wieder populärer: Lecker Salami räuchern zum Haustarif
Die Nahrungsmittelgewerkschaft gewinnt Mitglieder hinzu, bei Ver.di treten mehr Erwerbstätige ein. Der Kampf um Haustarifverträge macht sie für Beschäftigte wieder attraktiv.
BERLIN taz | Zum Beispiel Houdek. Der bayerische Wurstwarenhersteller, der seine Arbeiter lange ohne offiziellen Tarif entlohnte, ist ein Glücksfall für die Nahrungsmittelgewerkschaft NGG. Seit kurzem hat Houdek einen Haustarifvertrag – und hunderte Beschäftigte traten im Zuge dieser Verhandlungen in die Gewerkschaft ein.
"Wir verdanken ein Drittel unseres Mitgliederzuwachses diesem Einzelbetrieb", sagt Klaus Schroeter, Vorstandssekretär bei der NGG. In reinen Zahlen gewann die Gewerkschaft zwar nur 976 neue Mitglieder im Jahr 2010 hinzu, das ist ein Zuwachs von 0,5 Prozent. Trotzdem lässt dieses Plus bei einer Gewerkschaft aufhorchen. Denn in den vergangenen Jahren wiesen die Kurven der Mitgliederzahlen bei fast allen Arbeitnehmervertretungen nach unten.
Die kleineren Gewerkschaften NGG, die Lehrergewerkschaft GEW, der Marburger Bund und die Gewerkschaft der Polizei legten 2010 zu, wenn auch in kleiner Zahl. Die großen Gewerkschaften IG Metall und Ver.di dagegen verloren Mitglieder. Bei Ver.di jedoch weist Sprecher Christoph Schmitz darauf hin, dass trotz der Abgänge durch Rentner und Arbeitslose die Zahl der erwerbstätigen Ver.di-Mitglieder zumindest im vergangenen Jahr leicht gestiegen ist.
Mit welchen Methoden erzeugen die Arbeitnehmervertretungen neue Resonanz? Der Kampf um Haustarifverträge in Betrieben, die bislang tarifungebunden sind, ist eine Möglichkeit. In Bayern beispielsweise traf sich die örtliche NGG-Führung mit Beschäftigten aus dem Unternehmen Houdek. Sie gab Hilfestellung, so dass sich ein Betriebsrat gründete, erzählt Schroeter.
Unter den ArbeitnehmerInnen wurde geworben: Wenn ihr in die Gewerkschaft eintretet, so der Deal, dann verhandelt die NGG auch mit der Firmenleitung über einen Haustarifvertrag. Genau dies geschah, eine "ausreichende Zahl" der Beschäftigten haben inzwischen Mitgliedsausweise der NGG, berichtet Schroeter.
Bei den privatisierten Krankenhäusern in den neuen Bundesländern funktioniert es ähnlich, schildert Ver.di-Sprecher Schmitz. Dort gibt es vielerorts keine Tarifbindung. Auch hier sucht Ver.di nach Ansprechpartnern vor Ort, nach Gewerkschaftsmitgliedern im Betrieb. "Wir machen den Leuten klar, dass wir mit den Arbeitgebern nur dann über einen Haustarifvertrag verhandeln können, wenn ein gewisser Anteil der Beschäftigten in der Gewerkschaft ist", schildert Schmitz. Etwa 25 bis 40 Prozent des Personals müssten bei Ver.di eingetreten sein, dann kommen Verhandlungen infrage.
Wenn dann die örtlichen Ver.di-Vertreter mit der Krankenhausleitung konkret über Entgelte oder Zuschläge für Bereitschaftsdienste sprechen, tritt oftmals noch ein Schwung Beschäftigter der Gewerkschaft bei. "Wir erklären den Arbeitnehmern, dass sie bei den Verhandlungen über einen Haustarifvertrag nur dann mitreden können, wenn sie Mitglied sind", sagt Schmitz.
Konkret wird die NGG auch in der Region Bremen-Weser-Elbe. Selbst Minijobberinnen treten dort der Gewerkschaft bei, nicht zuletzt wegen des Rechtsschutzes, den sie über die Mitgliedschaft erwerben, erzählt der örtliche NGG-Geschäftsführer Dieter Nickel. "Wir helfen bei den Klagen um eine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall." Die NGG unterstützte etwa Minijobberinnen bei Garde, einer Niederlassung der Achimer Stadtbäckerei in Bremen.
Auch auf Facebook ist die Bremer NGG vertreten. Nickel freut sich über "viele junge Leute" als Neuzugänge. "Wir gehen auf die Lebensrealität der Leute ein", sagt Nickel. Erst dann, so ihre Erfahrung, seien die ArbeitnehmerInnen bereit, den Mitgliedsbeitrag von immerhin einem Prozent vom Bruttolohn an eine Gewerkschaft zu zahlen. Es sei, meint Ver.di-Sprecher Schmitz, "für viele Arbeitnehmer schon wichtig, dass sie sich konkrete Vorteile von einer Mitgliedschaft versprechen".
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