: Gewaltvideos als pädagogisches Konzept
Eine Gruppe Rapper verbreitet rassistische und sexistische Gewaltbotschaften im Internet, unterstützt vom staatlich finanzierten Haus der Jugend in Hamburg-Veddel. Die SPD ist informiert, doch ihr Bezirksabgeordneter lobt die „coolen Jungs“
Die Videos, die in Zusammenarbeit zwischen Faro und dem Hip-Hop-Projekt gedreht wurden, stehen in der Tradition des Gangsta-Raps, einer gewaltorientierten Variante dieses Musikgenres, das durch den amerikanischen Künstler Ice-T in den 80er Jahren kreiert wurde. In den Videos der Veddeler Jugendlichen werden Textzeilen wie „ich nehme dir die Schädeldecke, du wirst gefickt bis der Schwanz anschwillt, wer hier moved kriegt ein Fleischmesser in den Bauch, ich fick deine Mutter“ musikalisch in Szene gesetzt. Das Frauenbild wird, in der Ankündigung alle Mädchen und Frauen der Veddel ficken zu wollen und Zeilen wie „frisch rasiert und lange Haare, deine Braut will auch mal ran, doch ich nehm nicht zweite Ware“ in Worte gegossen. Im Lied „Osmanischer Gettosound“ heißt es: „Einen Biss in deinem Nacken und dann landest du im Rollstuhl. Wenn ich meine Pistole hole, bist du Schweizer Käse, ich geh dir an die Kehle und du bist dann ein toter Mann.“ MAC
von MARCO CARINI
Der Auftritt ist martialisch. Auf mehreren Internetseiten posiert der „Gangsta-Rapper Faro“ lässig mit einer Schrotflinte über der Schulter oder in der Hand. In seinen Texten werden Frauen zur sexuellen Ware degradiert, wird vergewaltigt, „gefickt“ und bestialisch gemordet – Schädeldecken werden entfernt und Fleischermesser in den Bauch des Feindes gebohrt.
Doch Faro ist nicht nur Musiker: Als bezahlte Honorarkraft leitete er – bis zum vergangenen Mai – zwei Jahre lang im Haus der Jugend Veddel, einem Hamburger Arbeiterstadtteil mit hohem Zuwandereranteil, das Hip-Hop-Projekt „Veddel Streetz“. Mit dem von ihm betreuten Jugendlichen setzte er seine gewaltverherrlichenden, rassistischen und frauenverachtenden Botschaften in Musikvideos um, die heute auf vielen Internetseiten zu sehen sind.
Auf einem der Videos sind im Hintergrund Banner zu sehen, die verblüffend an die Embleme der faschistischen türkischen „Grauen Wölfe“ erinnern. Offizieller Titel von Faros aus Steuergeldern finanzierten Arbeit: „Gewaltprävention und multiethnische Arbeit“.
Über ein Jahr wurden solche Brutalo-Videos, die inzwischen mehr als 50.000 Mal angeklickt wurden, in dem Jugendzentrum produziert – mit Erlaubnis des Haus-Leiters, geduldet vom Bezirk und unter Applaus des örtlichen SPD-Distriktsvorsitzenden Klaus Lübke. Dieser vertritt für seine Partei den Stadtteil Veddel im Kommunalparlament, der Bezirksversammlung Hamburg-Mitte.
In einem von ihm erstellten Internet-Blog lobt Lübke die Auftritte der Rapper als „beachtenswerte Jugendkultur“ von „coolen Jungs“, die „das Vorurteil widerlegen, dass sie nicht politisch denken können“. Zwar räumt der Kommunalpolitiker ein, dass die Texte der Musikvideos „problematisch“ seien, doch schließlich sei „die Veddel kein Mädchenpensionat“.
Lübke betont, dass das Projekt „Veddel Streetz“ auch andere Musikvideos produziert hätte, die etwa den deutschen Jugendvideopreis 2008 erhalten hätten oder in Zusammenarbeit mit der Polizei und dem Dunkelziffer e.V., einer anerkannten Hilfsorganisation für missbrauchte Kinder, entstanden seien.
Nach Einschätzung des Kommunalpolitikers seien die Texte der Gruppe in den vergangenen Monaten „weniger gewaltverherrlichend“ gewesen. Als Beispiel führt der Sozialdemokrat ausgerechnet ein Video an, indem der 9 / 11-Anschlag auf das World-Trade-Center mit der auf US-Präsident-Bush bezogenen Textzeile „das war der Bastard selber“ historisch eingeordnet wird. Dass das Bundesfamilienminsterium vor einer Präsentation dieses Songs im Rahmen eines in Berlin stattfindenden Wettbewerbs intervenierte, um diese Textzeile zu streichen, bewertet der SPD-Abgeordnete schlicht als „Zensur“.
Auch das Bezirksamt Mitte verteidigt die Arbeit des Veddeler Haus der Jugend. Zwar könnten die ins Netz gestellten Videos „einem total Angst machen“, räumt Bezirksamtssprecher Andreas Lange ein, betont aber gleichzeitig, dass die Arbeit des Gangsta-Rappers „Anreize für Jugendliche schaffen sollte, die wir sonst nicht erreichen würden“. Der so entstandene Hip-Hop samt seiner Texte würde den Jugendlichen als „Agressionsabbau“ dienen. Lange wörtlich: „Mit Häkelkursen bekommen sie da keinen Jugendlichen von der Straße“.
Akribisch unterteilt man im Bezirksamt, das für die Finanzierung der Jugendarbeit mit zuständig ist, zwischen guten und bösen Musikvideos der Veddeler Jugendlichen. So seien in Zusammenarbeit mit dem Haus der Jugend „diverse Songs und Texte entstanden“, die keine sexistischen oder gewaltverherrlichenden Aussagen hätten. Die Produktionen, „die in keiner Weise zu rechtfertigen oder gut zu heißen sind“, seien hingegen „außerhalb des Aktionsfeldes“ der Einrichtung entstanden.
Das allerdings kann bezweifelt werden. So berichtet ein ehemaliger Mitarbeiter des Jugendzentrums darüber, dass der Leiter der Einrichtung, Jürgen Hensen, die Fertigstellung von mehreren der schlimmsten Produktionen tatkräftig unterstützt habe, und sogar „verantwortlich für den Schnitt der Videos“ sei. Ihm sei es nur darum gegangen, dass das Haus der Jugend als „Ort der Produktion nicht auf den Videos zu erkennen“ sein sollte.
Hensen konnte sich zu diesen Vorwürfen gestern nicht äußern. Das Bezirksamt untersagte dem HDJ-Leiter sämtliche Auskünfte gegenüber den Medien.