Gewaltfreies Daddeln: Das friedlichste Videospiel der Welt
"Afrika" ist ein Spiel, in dem der Spieler nichts anderes tut, als Tiere auf Safari zu beobachten und zu fotografieren. Sony will mindestens 100.000 Exemplare verkaufen.
Mitten in der afrikanischen Savanne grasen ein paar Giraffen. Die renommierte Fotojournalistin pirscht sich langsam an die Tiere heran, um einige bemerkenswerte Aufnahmen der gewaltigen Tiere zu machen. Die ersten Bilder gelingen, doch dann ist sie etwas zu laut und die Riesenhälse ziehen sich zurück. Was nach Fotosafari im Busch klingt, ist eine Szene aus dem neuen Videospiel "Afrika", das in dieser Woche auf den Markt kommt.
Statt Gegner wegzuballern oder sich wilde Rollenspielschlachten in Fantasiewelten zu liefern, hat der Gamer in dem Spiel für Sonys "Playstation 3"-Konsole nur eine Aufgabe: Möglichst tolle Fotos machen. Eine realistische Natur mit allen Tieren, die man vom schwarzen Kontinent kennt, ist das Hauptmerkmal. Sterben kann man in dem Game auch nicht - rückt man aggressiven Tieren zu sehr auf den Pelz, wird man höchstens in eine virtuelle Ohnmacht fallen und muss wieder ins Camp zurück.
Um "Afrika" möglichst realistisch werden zu lassen, arbeiteten die Programmierer des japanischen Entwicklerhauses "Rhino Studios", die ihren Titel von Sony vertreiben und promoten lassen, fast vier Jahre an dem Spiel - mit einem kleinen, aber feinen Team. Bilder und realistische Geräusche wurden auf zwei eigenen Safaris nach Afrika eingefangen und in die virtuelle Welt integriert. Herausgekommen ist dabei laut Sony eine ganz neue Klasse von Games, die man auch langsam und ruhig spielen kann. "Es ist ein anderer Ansatz im Bereich der interaktiven Unterhaltung. Einige Leute werden das gar nicht mehr als Spiel wahrnehmen", meinte Sony-Videospielechef Kazuo Hirai gegenüber dem "Wall Street Journal". Tester, die "Afrika" bereits spielen konnten, sprechen von einer sehr hohen Grafikqualität. "Es macht Spaß, den ganzen Tag über Zebras zu beobachten", sagte der Herausgeber des wichtigsten japanischen Videospiele-Magazins, Hirokazu Hamamura, gegenüber dem Blatt. Selbst kleine Muskelbewegungen sind zu sehen.
"Afrika" wird zunächst auf dem für neue Produkte sehr offenen japanischen Markt angeboten. Ob der Titel nach Europa kommt, hängt stark vom dortigen Verkaufserfolg ab - eine Tatsache, die im Vorfeld für Kritik unter Spielern sorgte. Sony erwartet sich viel: Mindestens 100.000 Stück der hochauflösenden Fototour will man absetzen, 500.000 mit etwas werblichem Rückenwind, was ein sehr respektables Ergebnis wäre. Ein Paket, das aus dem Spiel und der Playstation 3-Konsole besteht, soll Nichtspieler anlocken, die sich bislang nicht mit dem Hobby "Gaming" beschäftigt haben. Ein Erfolg in diesem Bereich wäre für Sony sehr nützlich: Der Konzern befindet sich derzeit mitten in einer wichtigen Aufholjagd.
Noch sind die Konkurrenten in Sachen Konsolen-Verkaufszahlen deutlich vorne, der Unterhaltungskonzern liegt je nach Statistik beim weltweiten Verkauf um fünf Millionen Stück hinter dem Zweitplatzierten Microsoft. (Nintendo ist mit einem Vorsprung von 15 Millionen Konsolen hingegen kaum mehr einzuholen, allerdings ist sein Verkaufspreis auch niedriger.) Der Trend zu friedlicheren Titeln, die sich auch an neue, im Gegensatz zum gesättigten "Hardcore-Gamer"-Markt noch stark wachsende Zielgruppen wie älteren oder weiblichen Spielern richten, existiert in der ganzen Industrie. So lebt etwa Nintendos tragbare Konsole "DS" längst zu einem nicht unerheblichen Teil von Knobel- und Brettspielen, sogar Sprachtrainer und Koch-Games werden inzwischen erfolgreich angeboten. Das große Gerät des japanischen Konzerns, die "Wii", wird mit Zusatzkomponenten derweil zur Fitnesszentrale, zum Angelsimulator oder zum virtuellen Golftrainer - die Erweiterungsmöglichkeiten und Ideen der Spielehersteller scheinen unbegrenzt.
Der dritte wichtige Konsolenhersteller, Microsoft mit seiner "Xbox 360", arbeitet unterdessen an der Überarbeitung der Bedienoberfläche seines Geräts. Sie soll ab Herbst ganz an einem persönlichen Abbild des Spielers, einem comicartigen Avatar, ausgerichtet sein und so zugänglicher und damit irgendwie auch "menschlicher" werden. Die Jugendschützer dürfte das alles sehr freuen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Krieg in der Ukraine
Biden erlaubt Raketenangriffe mit größerer Reichweite
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen
Donald Trump wählt seine Mannschaft
Das Kabinett des Grauens
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist