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Gewalt nach Wahlen in NicaraguaTote bei Protest gegen "Betrug"

Nicaraguas Opposition bezweifelt, dass es bei Daniel Ortegas Wahlsieg mit rechten Dingen zuging. Bei Protesten kam es zu Gewalt mit Toten und Verletzten.

Anhänger der Liberalen Partei protestieren in Managua gegen Daniel Ortegas Wiederwahl. Bild: dapd

SAN SALVADOR taz | Bei Unruhen nach der Wahl in Nicaragua sind mindestens vier Menschen getötet worden. Über hundert, darunter gut 50 Polizisten, wurden verletzt.

Die folgenschwersten Auseinandersetzungen zwischen Anhängern des linken Wahlsiegers Daniel Ortega von der Sandinistischen befreiungsfront (FSLN) und seines unterlegenen rechten Kontrahentens Fabio Gadea von der Unabhängigen Liberalen Partei (PLI) gab es in den Gemeinden Siuna und El Carrizo im abgelegenen Norden des Landes.

In Siuna wurde am Dienstag eine Polizeieinheit, die randalierende Anhänger Gadeas unter Kontrolle bringen wollte, mit Schusswaffen angegriffen. Ein örtlicher Sandinistenführer wurde später erschossen. In El Carrizo wurden beim Aufeinandertreffen zweier Demonstrationen drei PLI-Anhänger getötet. Mehrere Sandinisten erlitten schwere Verletzungen durch Hiebe von Macheten. Auch in der Hauptstadt Managua, wo Gadea selbst eine Protestdemonstration anführte, kam es zu Straßenschlachten.

Gadea fordert, die Wahl vom Sonntag zu annulieren. Ihr Ergebnis sei „ein Betrug unglaublichen Ausmaßes“. Wahlbeobachter der Europäischen Union hatten von Unregelmäßigkeiten gesprochen und bemängelt, dass die von Sandinisten kontrollierte Wahlbehörde nicht unabhängig sei.

Ortega warf der Opposition vor, sie könne nicht verlieren. Nach dem amtlichen Endergebnis wurde Ortega mit 62,7 Prozent der Stimmen im Amt bestätigt. Sein Herausforderer Gadea kam auf 31,1 Prozent. Im gleichzeitig gewählten Parlament wird Ortega über eine bequeme Mehrheit verfügen: Die FSLN bekam 60,8 Prozent der Stimmen.

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8 Kommentare

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  • C
    Claudia

    Im Fall "El Carrizo" handelt es sich keinesfalls um das Aufeinandertreffen zweier Demonstrationen sondern um eine gezielt ausgeführte und vorher angekündigte Exekution, ausgeführt durch Anhänger der FSLN und Angehörige der Polizei von Cusmapa. Die drei Ermordeten sind PLI-Anhänger und wurden aufgrund ihrer politischen Positionierung umgebracht. El Carrizo ist ein Dorf in dem die Mehrheit der Bevölkerung Liberale sind, viele sind aus Angst, dass sich ein solches Massaker wiederholen könnte, in die Berge und ins nahegelegene Cusmapa geflohen. Ich finde es wichtig, gut recherchierte Informationen und differenzierte Meinungen weiterzugeben und nicht dem offiziellen Regierungsdiskurs zu verfallen. Interessant ist dieser Link mit Zeugenaussagen: http://www.conexiones.com.ni/articulo.php?id=465

  • N
    nicaraguita

    Bitte geben Sie sich wenn sie Artikel kommentieren, doch die Mühe die Situation differenzierter zu betrachten. In Nicaragua ist die Welt schon lange nicht mehr so übersichtlich schwarz-weiß wie zu Revolutionszeiten. Ein Denken in Richtung der gute, linke Ortega und die bösen, liberalen Amis führt so dermaßen in die Irre und ist, meiner Meinung nach, gerade daran Schuld, dass diese verfassungswidrige Wiederwahl überhaupt stattfinden konnte. Die NicaraguanerInnen die Ortega immer wieder ihre Stimme geben erkennen nicht, dass er eben nicht mehr der Revolutionsheld von vor 30 Jahren ist, der (und auch das darf nicht vergessen werden) so viele gute Ideen hatte und sie teilweise auch umgesetzt hat.

    Ortega ist vor allem heute aber auch derjenige der verschiedene obskure Wirtschaftsabkommen schließt, Freihandelszonen und damit die Ausbeutung seines Volkes zulässt und der in verschiedensten Formen die Freiheitsrechte der Bürger unterdrückt. Die Zustände in Nicaragua sind schlimm und noch schlimmer ist dass dieses stolze Volk dass einst so tapfer für seine Freiheit kämpfte, sich diese heute nehmen lässt. Wenn man nicht "Danielista" ist (d.h. Sandinismus JA, Ortega NEIN) darf man dies nicht öffentlich machen, ein Tabuthema.Dass gestern drei Menschen in Cusmapa durch die Hände von Sandinisten sterben mussten weil sie oppositionell waren,erfüllt mich mit solcher Traurigkeit,ist aber leider nur die Spitze des Eisberges der Vergehen gegen die Menschenrechte, die unter Ortegas Herrschaft und vor allem durch seine Polizei begangen werden. Viva la Nicaragua libre, aber auch in wirklicher Freiheit.

  • R
    Rahel

    FALSCH! Der Fall Cusmapa wird in den Medien verzerrt!

     

    Es handelt sich hier um einen viel schwerwiegenderen Fall recherchiert doch besser bei CENIDH der Menschenrechtsorganisation die vorort den Fall beleitet. Sympathisanten der FSLN haben zusammen mit der Polizei die veroeffentlichen Wahlergebnisse gefeiert und im alkoholisierten Zustand bekannt gegeben alle Liberalen abzuknallen. Etwas spaeter am abend fuhr ein Auto mit FSLN Sympathisanten, Begleitet von der Polizei bei der liberalen Familie Torrez vor und erschoss den Vater und zwei Soehne der Familie, zwei weitere wurden schwerverletzt.

    Die Bevoelkerung von Cusmapa ist schwer verunsichert, man muss sich bewusst machen, dass die autorisierte Staatsmacht in Form der Polizei hier einfach ohne Tumulte oder kontrete Proteste, die Nacht war vorher ruhig verlaufen, Menschen anderer politischer Gesinnung ermordet.

    Cusmapa wirkt derzeit wie ein rechtsfreier Ort und selbst die Menschenrechtsvertreter hatten grosse Muehe zu den Angehoerigen vorzudringen und die Polizei verweigerte ihnen den Zutritt zum Hospital.

     

    Rahel

  • F
    Fragel

    Sicher, er verteilt Wahlgeschenke und er weiß die Institutionen seines Landes für sich zu nutzen. Wie seine Vorgänger auch. Er ist Opportunist, Machtmensch, Strippenzieher. Auch das unterscheidet ihn nicht von seinen Vorgängern, nur hat sich da die internationale Öffentlichkeit weit weniger aufgeregt. Zudem lassen sich die selben Attribute auch manch hiesigem Politiker zuschreiben. So ist das politische Geschäft.

     

    Die "Sozialprogramme" können durchaus den Anschein erwecken, Teil einer Günstlingswirtschaft zu sein. Wo das Geld dafür herkommt, wie es verteilt wird und was nicht verteilt wird, ist von Europa aus betrachtet undurchsichtig und auch für mich befremdlich. Aber was wir hier im satten Deutschland denken, ist gar nicht wichtig. Die entscheidende Frage lautet: Nehmen auch die Nicaraguaner daran Anstoß? Denken auch sie, dass die Infrastrukturmaßnahmen - denn um nichts anderes handelt es sich - nur Parteianhängern zu Gute kommen? Mit dem Votum von mehr als 60 Prozent sowohl für Ortega als auch die FSLN haben sie die Frage am vergangenen Sonntag schon beantwortet. Es ist ihr Land, ihr Präsident, ihre Gegenwart und Zukunft.

     

    Die Nicaraguaner sehen, dass es in der Managua und anderswo kaum noch bettelnde oder arbeitende Straßenkinder gibt. Dass Menschen, die ihr bisheriges Leben in windschiefen Bretterhütten verbringen mussten, nun in kleinen stabilen Fertighäusern (ca. 38m2) wohnen dürfen. Dazu kommen eine bessere Gesundheitsversorgung, weniger Analphabetismus - die Liste ließe sich fortsetzen. Seit zwölf Jahren bereise ich Nicaragua regelmäßig, noch nie habe ich einen solchen sozialen Fortschritt erleben dürfen.

     

    Aus der Ferne erscheinen die Lösungen für strukturelle Probleme sehr einfach. Revolution macht man ja lieber woanders als daheim. Nicaragua ist das Land der Nicaraguaner. Sie sollen selbst entscheiden dürfen, welchen Weg sie gehen. Ihre Geschichte ist schon genug gespickt mit Einmischungen aller Art.

     

    Vielleicht sollten die Reporter der taz einmal selbst ein paar Tage mit einer Familie in einem der neuen "Volkshäuser" leben, irgendwo oben in den Bergen bei Matagalpa, wo es nun außerdem auch sauberes, fließendes Wasser und Strom gibt. Fragt Bürgermeister und Bauern, Ärzte und Lehrer, ob alle Profiteure "Orteguistas" sind. Lasst sie doch mal zu Wort kommen.

  • O
    Orion

    Klar, alles was nicht von US-Gnaden ist auf dieser Welt ist "verfassungswidrig".

     

    Die Faschisten, die mit Mord und Todschlag auf ihre Wahlniederlage reagieren, sind selbsverständlich die Verfassunghüter.

  • BR
    Bruder Rosco Domingo

    Der böse Ortega muss ja schlimme sachen verbrochen haben. Beispielsweise mit Hilfe der bösen Kubaner ein Bildungssystem aufgebaut zu haben, sodass jetzt zum ersten Mal in der Geschichte die UN Nicaragua als alphabethisiert bezeichnen. Oder die Armut bekämpft zu haben... alles äußerst böse Maßnahmen... Diese Fieslinge von der FSLN müssen sofort weg damit die Nicaraguen@s wieder frei unter dem hütenden Auge von deutschem und US-amerikanischen Kapital arbeiten können. :) Wo bleiben die Kontras wenn man sie brauch?

  • C
    Claus

    Verfassungswidrig war nicht sein Sieg, sondern bereits seine Kandidatur. Da sich aber offenbar eine große Mehrheit der Nicaraguaner dafür entschieden hat, ihn auch noch verfassungswidrig zu wählen, wird wohl nicht viel zu machen sein. Ich wünsche Ortega viel Erfolg in seiner nächsten Amtszeit.

  • O
    Oppositioneller

    Der Sieg von Ortega ist doch verfassungswidrig. Da muss doch irgendwas zu machen sein. Ich wünsche der Opposition auf jeden Fall viel Erfolg beim Kampf gegen Ortega!