Gewalt in Syrien: Armee fährt in Hama auf
Die syrische Armee hat ihre Präsenz in der Protesthochburg Hama erhöht. Dort gab es im Jahr 1982 ein Massaker mit 10.000 Toten. Der UN-Sicherheitsrat arbeitet weiter an einer Resolution.
KAIRO dpa/afp | Aus Angst vor Unruhen hat das syrische Regime zum 30. Jahrestag eines Massakers die Armeepräsenz in der Protesthochburg Hama erhöht. Sicherheitskräfte und Militärs seien an Brennpunkten postiert worden, berichten Oppositionelle am Donnerstag. Außerdem sei es zu Massenfestnahmen gekommen. Hama gilt als Bastion der sunnitischen Mehrheit in Syrien.
Die Stadt war 1982 Schauplatz eines mehrwöchigen Massakers. Hafis al-Assad, der Vater des jetzigen Präsidenten Baschar al-Assad, ließ dort einen Aufstand der sunnitischen Islamisten blutig niederschlagen. Weit mehr als 10.000 Menschen wurden getötet. Viele überlebende Oppositionelle wurden eingekerkert.
Außenminister Guido Westerwelle hat sich unterdessen bei seinem Besuch in Israel erstmals offen für einen Machtwechsel in Syrien ausgesprochen. "Präsident Assad hat keine Zukunft", sagte Westerwelle er in Tel Aviv. "Seine Grausamkeiten und seine Repressionen müssen aufhören."
Der UN-Sicherheitsrat hatte am Mittwoch mit Verhandlungen über eine Syrien-Resolution begonnen. Erste Fortschritte seien erzielt worden, einen abstimmungsreifen Text könne es möglicherweise am Freitag geben, berichteten Beobachter. Vor allem Russland stemmt sich aber gegen eine Syrien-Resolution, die die seit Monaten anhaltende Gewalt verurteilt. Die Arabische Liga hatte in einem Appell das mächtigste UN-Gremium zu Taten gedrängt.
Sicherheitsrat scheint voranzukommen
Im Ringen um eine Verurteilung der Gewalt in Syrien ist der UN-Sicherheitsrat offenbar vorangekommen. Bei den Gesprächen der UN-Botschafter sei am Mittwoch (Ortszeit) ein "gewisser Fortschritt" erzielt worden, sagte der britische Vertreter, Mark Lyall Grant, vor Journalisten. Die Arabische Liga kündigte derweil an, Ende kommender Woche über die Zukunft ihrer derzeit ausgesetzten Beobachtermission in Syrien zu beraten.
Es gebe im UN-Sicherheitsrat den "Wunsch", einen Text auszuarbeiten, der in den nächsten Tagen angenommen werden könne, sagte Grant nach der fast dreistündigen Sitzung der UN-Botschafter. "Aber an diesem Punkt sind wir noch nicht", ergänzte er. Sein russischer Kollege Witali Tschurkin sprach von einer "ziemlich guten Sitzung". "Wir haben jetzt ein besseres Verständnis davon, was getan werden muss, um zu einer Übereinstimmung zu kommen."
Im Sicherheitsrat wurde ein Resolutionsentwurf diskutiert, der von Marokko eingebracht worden war. Hinter den Text stellten sich acht von 15 Mitglieder, darunter Deutschland. Der Entwurf fordert die Bildung einer Regierung der Nationalen Einheit für Syrien, die "transparente und freie Wahlen" organisieren müsse. Er orientiert sich an einem Vorschlag der Arabischen Liga zur Beilegung des Konflikts in Syrien.
Bedenken gegen eine UN-Resolution haben die beiden Vetomächte Russland und China. Sie haben deutlich gemacht, dass sie keinen Text unterstützen, der eine militärische Intervention wie in Libyen billigt oder einen Machtwechsel fordert. Um doch auf eine gemeinsamen Nenner zu kommen, wollten die Sicherheitsratsmitglieder nach Angaben von Diplomaten nun einen neuen Entwurf ausarbeiten. Dieser soll für weitere Debatten am Donnerstag eingebracht werden.
Marokko als einziges arabisches Land im Sicherheitsrat warb erneut für eine baldige Annahme einer UN-Resolution. "Es kommt darauf an, die Gewalt zu stoppen und den arabischen Plan zu unterstützen, mit dem wir das Land stabilisieren können", sagte Außenminister Youssef Amrani in Rabat. Dafür arbeite Marokko mit "allen seinen Partnern" zusammen und versuche, einen "Konsens" zu erreichen.
In Syrien gibt es seit fast elf Monaten massive Proteste gegen Präsident Baschar al-Assad, die dessen Sicherheitskräfte blutig niederschlagen. Seit vergangenen März kamen nach UN-Angaben mehr als 5400 Menschen ums Leben. Eine Beobachtermission der Arabischen Liga, die zur Beilegung der Krise beitragen sollte, wurde am Sonntag vorerst ausgesetzt. Über ihre Zukunft beraten die Außenminister der Organisation am 11. Februar in Kairo.
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