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Gewalt in SyrienOpposition lehnt UN-Erklärung ab

Der Syrische Nationalrat ist enttäuscht von der Erklärung der UN an Syrien. Sie erreiche genau das Gegenteil von dem, was intendiert sei. Die Armee nahm die Stadt Hama ein.

Eine Burg in Hama unter Beschuss. Bild: dapd / Amateurvideo

BEIRUT/KAIRO afp/dpa | Der oppositionelle Syrische Nationalrat hat die Erklärung des UN-Sicherheitsrates für ein Ende der Gewalt in Syrien verurteilt. Mit der Erklärung werde das Gegenteil erreicht, indem sie der Regierung von Präsident Baschar al-Assad mehr Zeit gebe, ihre Angriffe fortzusetzen, sagte Samir Naschar vom Syrischen Nationalrat am Donnerstag in Beirut.

„Derartige Erklärungen, die verabschiedet werden, während das Töten anhält, geben Assad die Möglichkeit, seine Politik der Zerstörung fortzuführen, um die syrische Revolution niederzuschlagen“, sagte er.

Der UN-Sicherheitsrat müsse mit einer Stimme sprechen und nicht in Form einer Erklärung, forderte Naschar. Notwendig sei eine an die Regierung gerichtete „abschreckende Resolution“, deren Ziel ein Ende der Gewalt gegen die syrische Bevölkerung sei.

Der UN-Sicherheitsrat hatte am Mittwoch eine Erklärung verabschiedet, in der Regierung und Opposition in Syrien zur „unverzüglichen“ Umsetzung des Friedensplans des Syrien-Sondergesandten Kofi Annan aufgerufen werden. Die Erklärung hat allerdings weniger diplomatisches Gewicht als eine Resolution.

Offensive in Hama

Syriens Regime setzt trotz eines Appells des Weltsicherheitsrates zur Beendigung des Blutvergießens seine Offensive gegen die Opposition fort. Am Donnerstag nahmen Regierungstruppen nach Angaben von Aktivisten die Protesthochburg Hama ein. In der Provinz Idlib seien mindestens sechs Menschen getötet worden.

Die Türkei hat unterdessen ihr Vertrauen in die Zusagen des Regimes von Baschar al-Assad verloren und hegt nur noch geringe Hoffnungen auf produktive Verhandlungen. „Assad hat unter vier Augen Versprechen gemacht, die er nie hielt“, sagte Außenminister Ahmet Davutoglu in Wien.

Erneute Angriffe gab es nach Oppositionsangaben auf mehrere Regionen der Provinz Idlib an der Grenze zur Türkei sowie auf die Unruheprovinz Homs. Im Umland von Damaskus habe es ebenfalls Angriffe auf den Ort Harasta gegeben. In der südlichen Provinz Daraa sei ein Soldat bei einer Attacke von Deserteuren auf ein Militärfahrzeug getötet worden.

Nach dem UN-Sicherheitsrat will auch die Europäische Union den Druck auf Assad weiter erhöhen und ihre Sanktionen an diesem Freitag verschärfen. Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) sagte im Deutschlandfunk, geplant seien „neue Sanktionen - nicht nur gegen das Assad-Regime, sondern auch gegen sein Umfeld“. Bei ihren Treffen in Brüssel wollen die EU-Außenminister unter anderem Einreiseverbote erlassen. Geplant ist nach Angaben von Diplomaten auch, Vermögen innerhalb der EU einzufrieren.

Der türkische Außenminister Davutoglu wollte am Freitag in Brüssel Gespräche über eine möglichst breite Koalition zur Beendigung des Konflikts führen. Auch die Arabische Liga sollte in das Vorhaben einbezogen werden, sagte Davutoglu. „Wir wollen auch mit dem Iran darüber sprechen.“ Teheran gilt als Unterstützer des Assad-Regimes.

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7 Kommentare

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  • HS
    Hari Seldon

    @drubi:

     

    1. Zur Zeit hält Israel syrische Gebiete unter Besetzung (wie Hitler andere Staatsgebiete damals), und nicht Syrien israelische Gebiete. Aus den Geschitsbüchern ist sehr wohl bekannt, welcher Staat die Palästinenser vertrieben hat (nicht Syrien).

     

    2. Sogar Libanon hat die Rebellen aus Syrien als "persona non grata" deklariert (mit Recht: Welcher Staat will fremde bewaffneten Terrorbanden in eigenem Staatsgebiet dulden?).

     

    So wir sollten bei den Fakten bleiben.

  • D
    drubi

    Nachtrag für hari seldon:

     

    bei der Verfolgung von Oppositionellen geht Syrien inzwischen so weit, dass auch Zufluchtsorte jenseits des syrischen Staatsgebietes militärisch angegriffen wird: so kommt es inzwischen immer häufiger zu zu Übergriffen auf libanesisches Staatsgebiet, wobei mit Panzern und Artillerie auch Gebäude auf libanesischem Boden angegriffen und zerstört werden.

     

    Oder passiert dies mit freundlicher Genehmigung durch die Hezballah ? Würde mich nicht wundern.

  • D
    drubi

    @hari seldon,

     

    die Aussage, dass Syrien keine Angriffskriege geführt habe ist definitiv falsch: Syrien hat zusammen mit anderen arabischen Staaten nach Erklärung der Unabhängigkeit Israels dieses Land angegriffen damit eigentlich die Vertreibung vieler palästinensischer Araber ausgelöst. In den darauffolgenden Jahren hat Syrien den Beschuss Nordisraels weiter fortgesetzt und arabische Terroristen aktiv unterstützt. Im 6-Tage-Krieg hat Syrien wiederum den Norden Israels angegriffen, was schliesslich zur Einnahme der Golanhöhen durch Israel führte. Auch am Yom-Kippur-Krieg war Syrien von Anfang an beteiligt. Die beiden letztgenannten Kriege fanden bereits unter der Führung von Hafez Al-Assad statt. Syrien ist während des libanesischen Bürgerkrieges in den Libanon einmarschiert und hat einige Gebiete bis vor einigen Jahren besetzt gehalten. Seit längerem unterstützt Syrien die Hezballah, eine radikalislamisch-schiitische, palästinensische Terrororganisation, die mit massiver syrischer Unterstützung vom Iran hochgerüstet wird, um in einem Konfliktfall den Norden Israels anzugreifen. Zur Zeit gibt es Schätzungen, dass Hezballah über bis zu 200 000 Raketen, z.T. sehr fortgeschrittene Systeme, verfügt.

     

    Syrien selbst hat einen erheblichen Teil seiner Einnahmen z.B. aus Erdölgeschäften in ihre Streitkräfte, insbesondere deren Rüstung investiert. Von der Türkei und Israel abgesehen zählen die syrischen Streitkräfte zu den technisch am umfangreichsten und fortgeschrittensten ausgestatteten der Region. Zum Pech der syrischen Bevölkerung.

  • HS
    Hari Seldon

    @drubi

     

    Sie schreiben: "Ohne die geballte militärische Macht der Alliierten wären wir Hitler und sein Verbrecherpakt nie losgeworden."

     

    Nun Syrien hat keine Länder angegriffen wie Hitler, insbesondere nicht auf Basis dem wohl bekannten "fünfte Kolonne"-Muster. Jetz greifen gewisse Länder systematisch andere Länder auf Basis der wohl bekannten "fünfte Kolonne" an. Bitte, lesen Sie noch einmal die Dokumentation aus Nürnberg durch. Sie wären sehr überraschtt, wie aktuell die Anklageschrift sogar heute ist. Es ist kein Zufall, dass ein wesentlicher Punkt in der UNO-Charta das Verbot von Angriffskriegen, und die Prinzip der Nicht-Einmischung ist.

     

    Türkei ist in einer sehr prekären Situation: Türkei wird gleichzeitig erpresst, aber auch Zuckerbrot wird auch angeboten. Zum Beispiel Sarko hat schon eine beschleunigte EU-Afnahme angeboten, falls TZürkei die Rolle des Kannonenfutter-Lieferantes mit einer Angriff gegen Syrien übernehmen würde. Aber Türkei kennt seine nationalen Interessen, und ein Angriff gegen Syrien wäre ganz sicher nicht drin.

     

    Habe Kollegen aus Syrien, und diese Menschen (kenne ich die schon seit Jahren) malen ein ganz anderes Bild, als Ihr Bild. Die ca. 8 Millionen Stimmen für die Pläne von Assad sprechen für sich selbst. Die Rebellen sind sogar in Homs in Minderheit: Es ist kein Zufall, dass die Rebellen eine Lösung auf Basis von Wahlen (genauso wie in Lybien) nicht akzeptieren, nur Terrorangriffe und Bombardierungen wären in Ordnung (natürlich in Namen der "Demokratie").

  • A
    Ant-iPod

    Sehr geschätzter DRUBI,

     

    es scheint, Sie haben meine Kommentare zu anderen Artikeln in der taz nicht gelesen und ich habe mich anscheinend missverständlich ausgedrückt.

     

    Was Assad, China und Russland betrifft, nehme ich an sind wir ähnlicher Ansicht.

     

    Mir ging es in meinem Kommentar konkret darum, dass die taz sich nicht die Mühe macht, en Detail zu erklären, was wirklich passiert ist - wir werden stattdessen aufgefordert, allgemeinen und tendenziösen Kurzfassungen zu glauben, die wir nicht nachprüfen können.

    Dies halte ich für unzureichenden Journalismus und appelliere deswegen an die taz, mehr Details zu Berichten, die das Geschriebene mit Fakten untermauern.

     

    Mit fundierter Kritik an Assad habe ich andernorts nicht gespart - insofern bitte ich meine Aufforderung an die taz nicht im Mindesten als Relativierung meiner Kritik zu verstehen.

  • D
    drubi

    Der türkische Aussenminister hat ebenso wie Premier Erdogan und Präsident Gül vor etwas mehr als einem Jahr noch auf eine positive Entwicklung der Beziehungen zu Syrien gesetzt. Als die Verhaftungen in Daraa begannen und auch als bereits die syrische Regierung mit Gewalt gegen Demonstranten vorging, hielt sich die türkische Regierung mit öffentlichen Stellungnahmen erkennbar zurück, obwohl man bereits befürchtete, dass die Lage gefährlich eskalieren könnte. Der Assad-Clan hielt sich nicht zurück und liess immer häufiger von Scharfschützen auf Demonstranten schiessen. Als dies nicht mehr nur in Daraa passierte sondern auch in anderen Städten und damit der innersyrische Konflikt sich immer mehr auch in Richtung Türkei ausbreitete, versuchte die türkische Regierung massiver auf Assad einzuwirken, in der Hoffnung, dass zumindest er für ein gemässigtes Vorgehen zugänglich wäre (von anderen Baath-Parteimitgliedern wusste man, dass es nichts half).

    Zu diesem Zeitpunkt hatte er nicht nur die Unterstützung Irans sicher, sondern auch noch jene durch Russland und China. Die Assads setzten daher weiterhin auf gewaltsame Unterdrückung ihres Volkes als dessen Widerstand noch immer gewaltlos war und im wesentlichen aus Streiks und Demonstrationen bestand. Zu diesem Zeitpunkt wurden bereits Einheiten und "Berater" der iranischen Revolutionsgarden eingesetzt, die zusammen mit Geheimdienst und Eliteeinheiten darauf achten sollten, dass es zu keinen Desertionen auf Seiten der syrischen Armee kommt. Der Konflikt weitet sich im Land jedoch immer mehr aus und Assads Regime kann trotz schwerster Repression gegen Oppositionelle und deren Familien nicht mehr verhindern, dass auch aus höheren Stellen immer mehr Menschen sich der Opposition anschliessen.

     

    Inzwischen verlieren auch China und Russland zunehmend die Geduld mit Assad. Denn der Imageschaden in der arabischen und muslimischen Welt ist für diese beiden Länder immens. Es ist überdeutlich, dass es ihnen mit der Verteidingung des Souveränitätsprinzips allein darum geht, ihnen genehme Regierungen an der Macht zu halten - um jeden Preis.

     

    Ohne die geballte militärische Macht der Alliierten wären wir Hitler und sein Verbrecherpakt nie losgeworden. Es gab bei weitem zu viele loyale Anhänger und einen bis zu allerletzt funktionierenden und mordenden Verfolgungsapparat, nicht nur von SS und Gestapo.

     

    Antipod, et al. ich kann sie nicht verstehen - beim allerbesten Willen nicht. Ich kann nicht erkennen, dass ihnen an irgendeinem humanitären Prinzip auch nur das geringste liegt. Im allerbesten Fall sind Sie und ihresgleichen bornierte Klugscheisser und Besserwisser. Ich befürchte jedoch eher, dass sie zu dem geeignete Menschenmaterial gehören, auf dem sich Diktaturen mit beliebig zynischen Verfolgungsapparaten aufbauen lassen. So einem wie dem von Hafez und Bashar Assad. Und kommen SIE und ihresgleichen mir nicht mit irgendeiner Gefahr von AlQaida oder ähnlichem - die ist vor allem durch die Unterdrückung und die massive Gewalt, mit der Assad gegen sein eigenes Volk vorgeht, gewachsen.

    Verblasen SIE nur weiter ihr antiimperialistisches Gewäsch: aber glauben sie nicht, dass es sie in irgendeinem politischen Sinn glaubwürdig macht - sie sind vor allem eines: zynisch, und schauen sie nach, was das tatsächlich bedeutet.

  • A
    Ant-iPod

    Warum berichten die Zeitungen nicht konkret, um wen oder was es geht?

    Das in einem Radio-Interview nicht alle Namen und Schritte genannt werden, kann ich verstehen. Aber in einer Zeitung wäre doch der Raum, die Namen der von den neuerlichen Sanktionen betroffenen Personen aufzulisten und uns Bürgern zu erklären, warum diese Personen betroffen sind.

     

    Oder die weiteren Schritte zu erläutern - oder, wenn ein türkscher Außenminister sagt, Assad habe in Vier-Augen-Gesprächen Versprechungen gemacht, die er nie eingehalten habe... was waren denn dies für Versprechen?

     

    Es ist eines, mit so allgemeinen Äußerungen die Emotionen der Menschen anzusprechen - was eigentlich die Aufgabe der Bild-Nichtzeitung ist.

    Von einer wirklichen Zeitung erwarte ich mir offen gestanden mehr Details, mehr Tiefgang und Nachprüfbarkeit, also schlichtweg Fakten.

     

    Schließlich wollen unsere Regierungen in unserem Namen Sanktionen beschließen und was weis ich was - und wenn jemand in meinem Namen so etwas tut, dann will ich als Bürger auch wissen, warum.

    Ich bin keine Verfügungsmasse, über deren Kopf man willfährig entscheiden kann - denn wenn es so wäre, was unterscheidet unsere Regierung dann von Despoten, außer dass sie nicht auf uns schießt?

     

    Also liebe taz - mehr Information bitte!