Gewalt in Kolumbien: Nur ein Anschlag am Wahltag
41 Kandidaten wurden ermordet, insgesamt 230 Angriffe und Gewaltakte gezählt. Das ist viel – aber deutlich weniger als noch vor vier Jahren.
BUENOS AIRES taz | 41 Kandidaten sind im Vorfeld der kolumbianischen Kommunal- und Regionalwahlen vom Sonntag ermordet worden, sagt die Wahlbeobachtermission MOE. Aber der Wahltag selbst blieb ruhig - fast. Auf den stellvertretenden Vorsitzenden des Abgeordnetenhauses, Albeiro Vanegas Osorio, wurde ein Anschlag verübt, bei dem dessen Fahrer ums Leben kam.
Kurz: Die Kommunalwahlen in Kolumbien sind "normal und friedlich" verlaufen. Das sagte Verteidigungsminister Juan Carlos Pinzón am Sonntag nach Schließung der Wahllokale.
Im Vergleich zur Wahl vor vier Jahren muss man ihm recht geben: Zwar gab es insgesamt im Umfeld der Wahlen 230 Gewaltakte, und die Zahl der getöteten Kandidaten stieg um 52 Prozent - doch Angriffe auf die Wahlen selbst nahmen um 71 Prozent ab, ein Erfolg für die Regierung des 2010 ins Amt gewählten Präsidenten José Manuel Santos.
Der Präsident kann auch mit den bisher bekannten Ergebnissen zufrieden sein: Die Kandidaten der beiden größten Oppositionsparteien Polo Democratico und Grüne konnten kaum Erfolge landen, auch die von Santos Vorgänger Álvaro Uribe unterstützten Kandidaten verloren reihenweise, oftmals zugunsten von Kandidaten von Bürgerbewegungen, die im Parlament nicht vertreten sind.
Kein Wunder also, dass Santos jubelt: "Wir konnten zeigen, dass das demokratische System funktioniert. Die einzigen Verlierer waren heute die Gewalttäter," sagte er am Sonntagabend.
Für Wahlbeobachter von MOE ist nicht mehr die bloße Gewalt das große Problem bei den Wahlen. Deren Hintergrund sind noch immer die seit über 50 Jahren anhaltenden bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen zwischen Guerillagruppen, paramilitärischen Organisationen und den regulären Streitkräften.
"Die Gefährdung der Wahl durch Gewalt hat im Vergleich zu 2007 abgenommen, denn Guerilla und paramilitärische Banden sind weniger präsent," so Felipe Jiménez von der MOE. "Dagegen ist das Risiko von Wahlfälschungen und Manipulationen deutlich gestiegen." Kriminelle Banden haben die Wahlen schon lange als Mittel entdeckt, um an die Macht zu kommen. Als Beleg sieht Jiménez die Tatsache, dass von den über 230 gezählten Gewaltakten nur gut die Hälfte an Orten registriert wurden, in denen bewaffnete Gruppen aktiv sind.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Jeder fünfte Schüler psychisch belastet
Wo bleibt der Krisengipfel?
Krieg in der Ukraine
USA will Ukraine Anti-Personen-Minen liefern