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Gewalt in Indien eskaliert

■ Über hundert Tote bei Kämpfen zwischen Moslems, Hindus und Polizisten

Neu-Delhi (dpa/ap) — Die blutigen Zusammenstöße zwischen Hindus und Moslems in Indien haben gestern einen neuen Höhepunkt erreicht. Möglicherweise kamen allein an diesem Tag weit mehr als 100 Menschen ums Leben. Zum schwersten Zwischenfall kam es wieder in Ayodhya im Norden Indiens, wo der Konflikt auch ausgebrochen war. Erneut versuchten Tausende fanatisierter Hindus, eine Moschee zu zerstören, um an derselben Stelle mit dem Bau eines Hindu-Tempels zu beginnen. Dabei erschossen Polizisten nach offiziellen Angaben zehn Menschen. Augenzeugen sprechen hingegen von 60 bis 100 Toten. Nach einem Bad im Saryu-Fluß hätten sich Zehntausende Hindus zum Moscheegelände begeben und versucht, den Sicherheitsgürtel der Polizei zu durchbrechen. Die Polizei habe zunächst Tränengas und Schlagstöcke eingesetzt und schließlich auch geschossen. Hunderte wurden verletzt.

Noch am Abend lagerten mehrere zehntausend Hindus rund um das Moscheegelände. Dort wurde nach dem Glauben der Hindus der Gott Rama geboren, und zwar genau an der Stelle, an der heute eine Moschee steht. Hindu-Freiwillige warten dort auf eine Gelegenheit, mit dem Abbruch der Moschee und dem Bau des Tempels zu beginnen. 35 Sadhus (Hindu-Bettelmönche) haben geschworen, bis zum Tode zu fasten, wenn ihnen kein Zutritt zu dem umstrittenen Gelände gewährt wird.

Auch in anderen Teilen Indiens entwickelten sich die Auseinandersetzungen immer mehr zu einem Religionskrieg. In den nordindischen Städten Moradabad und Aligarh begannen Hindus und Moslems am Freitag, die Gotteshäuser der jeweils anderen Religionsgemeinschaft zu zerstören. In Bundesstaat Gujarat wurden sieben Menschen bei lebendigem Leib verbrannt. Auch in Bihar, Uttar Pradesh, Karnataka und Andhra Pradesh kamen nach offiziellen Angaben weitere neun Menschen ums Leben.

Mehrere indische Zeitungen befürchteten gestern die Beschlagnahmung ihrer nächsten Ausgaben. Man erwarte in den Unruhegebieten eine Nachrichtensperre.

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