Gewalt gegen Polizei: Harte Strafen nicht nur für Steinewerfer
Nachdem das Bundesinnenministerium angekündigt hat, den rechtlichen Schutz für Beamte schnellstmöglich zu verbessern, fordern die Grünen, Polizeigewalt im gleichen Maße zu ahnden.
BERLIN taz | Nach der Ankündigung des Bundesinnenministeriums, gemeinschaftlich ausgeübte Gewalt gegen Polizisten mit Steinen oder Brandsätzen härter bestrafen zu wollen, hagelt es Kritik von den Grünen. Benedikt Lux, innenpolitischer Sprecher der Berliner Grünen, bezeichnete das Vorhaben als "wirkungslos", während der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Hans Christian Ströbele, eine Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamte verlangt. Zudem fordert Katharina Spieß, Referentin für Polizei- und Menschenrechte bei Amnesty International, das Ministerium auf, "die Gewalt von Poilzeibeamten mit derselben Konsequenz zu verfolgen".
Mit der Ankündigung wollte das Ministerium signalisieren, sich so schnell wie möglich für die Rechte von Polizeibeamten einsetzen zu wollen. Auf Vorschlag der deutschen Polizeigewerkschaft soll der zweite Abschnitt des Paragraphen 113 des Strafgesetzbuches um zwei Punkte erweitert werden: Der Widerstand gegen die Polizei soll, wenn er "mittels eines anderen gefährlichen Werkzeugs" oder "mit anderen Beteiligten gemeinschaftlich" ausgeführt wird, mit bis zu fünf Jahren bestraft werden können. Bisher waren es nur zwei.
Der Ministeriumssprecher begründete die Änderung damit, dass Polizeibeamte und andere Personen, die öffentliche Aufgaben wahrnehmen, immer häufiger Ziel brutaler gewalttätiger Angriffe würden. Tatsächlich stieg die Zahl der Widerstandshandlungen bundesweit im Jahr 2008 auf 28.272 Fälle, 1.490 mehr als im Vorjahr. Wie eine Sprecherin der Polizei erklärt, werden allein in Berlin jeden Tag durchschnittlich neun Fälle registriert, bei denen sich Personen der Polizei durch Anwendung von Gewalt widersetzt hätten. "Daher begrüßen wir die Ankündigung de Maizières", so die Sprecherin.
Als "hilflos" bezeichnet Benedikt Lux hingegen den Vorstoß des Innenministeriums. Er kenne keinen Fall, bei dem Richter Angriffe mit Stöcken, Steinen und Brandsätzen zu mild bestraft hätten. Das meint auch Christian Ströbele und fügt hinzu, dass im Falle von Brandsatzangriffen sowieso ein anderer Strafparagraph greifen würde: "In Berlin drohte einem Demonstranten wegen einem Brandsatzwurf lebenslängliche Haft", erklärt der Abgeordnete. Er gibt außerdem zu bedenken, dass Gerichte in harmloseren Fällen sehr selten das gesetzlich vorgegebene Höchststrafmaß umsetzen würden. Eine Erhöhung des Strafmaßes sei daher nicht mehr als "blinder Aktivismus".
Sinnvoller fände Katharina Spieß von Amnesty International, wenn sich das Bundesministerium dafür einsetzen würde, rechtswidrige Gewaltanwendung von Polizisten zu unterbinden und "unparteiisch, unabhängig, umfassend und unmittelbar" zu ermitteln.
Wichtig sei auch die Ursachenforschung für Gewalt gegen Polizisten, zum Beispiel bei Demonstrationen. Dort geht sehr häufig Gewalt von Polizeibeamten aus. Die Polizei dürfe hier so wenig wie möglich den Anschein erwecken, nicht an Recht und Gesetz gebunden zu sein, erklärt Lux und sagt weiter: "Wer sie als staatliche Prügeleinheit sieht, wird kein Vertrauen zur Polizei entwickeln". Das weiß auch Demonstrationsbeobachter Ströbele und fordert deshalb, dass sich das Ministerium für "eine Kennzeichnung von Polizeibeamten" einsetzen oder zumindest dafür sorgen sollte, dass diese ihre Dienstummer rausgäben, wenn sie danach gefragt würden. Das verlangt selbst der Polizeipräsident von Berlin, Dieter Glietsch.
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