: Getrübte Idylle
■ Betr.: „Es gibt die Amtshilfe unter Exorzisten“ (Nebensachen aus Istanbul), taz vom 10.1.94
Geradezu ins Schwärmen gerät Ömer Erzeren bei seinen Streifzügen durch die heiligen Stätten Istanbuls! Wie bei allen Schwärmern ist aber auch sein Blick arg getrübt für die harte Realität. Von „Solidarität der Gottesmänner“ zugunsten der Unterdrückten konnte und kann gerade heute keine Rede sein in dieser Stadt. Wie getrübt die vermeintliche Idylle ist, könnte Ömer Erzeren beispielsweise im Stadtteil Narlaköy sehen. Die dortige armenische Kirche, eine der von ihm so bewunderten „Heiligenstätten der kleinen Leute“, wurde allein im vergangenen Juli insgesamt fünfmal mit Molotowcocktails und Steinwürfen angegriffen und beraubt.
Seit vielen Monaten schon reißt die Kette derartiger Anschläge und Überfälle auf Kirchen, Friedhöfe und Schulen der gerade noch 40.000 Angehörige zählenden armenischen Minderheit nicht mehr ab, von den unzähligen Angriffen auf Armenier in der Öffentlichkeit ganz zu schweigen. Auf staatlichen Schutz können sie nicht zählen. Im Gegenteil! Im letzten Oktober verbot auch noch das türkische Erziehungsministerium den armenischen Schulen den Gebrauch ihrer Muttersprache im Unterricht, ausgenommen während der zwei Wochenstunden Sprachunterricht (ein klarer Verstoß gegen die Minderheitengarantien des Lausanner Vertrags von 1923). Auf Solidarität, gerade der Muslims, aber können die Armenier lange warten! Elvira Kiendl, Gesellschaft für
bedrohte Völker, Regensburg
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