■ Gesundheitsstrukturgesetz: Schritte in die richtige Richtung
Als „tiefgreifende Strukturreform“ preist Gesundheitsminister Seehofer sein Gesetzeswerk. Dieses Prädikat hat die Gesundheitsreform aber nur bedingt verdient. Die Reform krankt daran, daß der Ausgangspunkt aller Überlegungen die Suche nach Einsparmöglichkeiten ist und nicht die Frage, wie eine sinnvolle und humane medizinische Versorgung aussehen könnte.
Zum Beispiel die ambulante Versorgung: Sie ist nicht nur in vielen Fällen billiger, sondern auch stärker an den Bedürfnissen der PatientInnen ausgerichtet. Der Ansatz, die ambulante Versorgung der stationären Behandlung im Krankenhaus nach Möglichkeit vorzuziehen, ist daher richtig. Solange aber nicht gleichzeitig die finanziellen und materiellen Rahmenbedingungen der ambulanten Pflege verbessert werden, bleibt die Reform Stückwerk.
Einer der Kernpunkte der Reform ist die Deckelung der kassenärztlichen Einkommenszuwächse und das Einfrieren der Krankenhausbudgets. Mit der Regelung, daß Ärzte und Pharmaindustrie gemeinsam zur Kasse gebeten werden, wenn die Ärzte das Arzneimittelbudget überschreiten, ist der ärztlichen Verschreibungswut kaum beizukommen. Der Arzneimittelverbrauch wird damit lediglich auf das bisher erreichte hohe Niveau begrenzt. Daß die PatientInnen bei der Zuzahlung zu Arzneimitteln künftig stärker zur Kasse gebeten werden, wird vielleicht ihr Kostenbewußtsein etwas schärfen. Doch schon die vorherige Reform hat gezeigt, daß sich mit einer höheren Eigenbeteiligung der Kranken die Kosten nur begrenzt steuern lassen. Was nach wie vor fehlt, ist ein wirksames Steuerungsinstrument, mit dem das überflüssige Verschreiben von Arzneimitteln ausgeschaltet werden kann.
Daß der Hausarzt gegenüber dem Facharzt aufgewertet wird, ist ein Schritt in die richtige Richtung. Künftig sollen durch die Einführung einer „hausärztlichen Grundvergütung“ die Betreuungsleistungen des Hausarztes stärker honoriert werden als bisher. Wenn das Gespräch mit den PatientInnen angemessen bezahlt wird, ist der Hausarzt nicht mehr darauf angewiesen, Medikamente zu verschreiben, um auf seine Kosten zu kommen. Der „sprechenden Medizin“ einen größeren Stellenwert einzuräumen, ist überfällig, allerdings läßt sich noch nicht absehen, ob durch eine entsprechende Umgestaltung der Gebührenordnung dieses Ziel auch erreicht wird.
Die Gesundheitsreform weist eine Reihe positiver Ansätze auf. Offen ist, ob die angestrebte Kostendämpfung gelingt. Nicht zuletzt wird sich der Erfolg der Reform aber daran messen lassen müssen, ob es gelingt, die Beitragssätze der Krankenkassen zu stabilisieren. Dorothee Winden
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