Gesundheitsreform: Arzthonorar soll sich einrenken
Orthopäden und Unfallchirurgen protestieren gegen die Honorarreform für niedergelassene Ärzte. Praxen bleiben geschlossen. Verband fordert mehr Geld und mehr Transparenz bei der Vergütung.
Wenn Helmut Mälzer einen Patienten wegen Rückenschmerzen untersucht, kann er davon vielleicht eine Pizzeria besuchen. Eine Praxis betriebswirtschaftlich führen geht nach seinen Worten mit der Honorarreform für niedergelassene Ärzte nicht. Gerade mal 10,67 Euro pro Monat und Patient bekommt der Orthopäde in Lichterfelde Ost von der Krankenkasse erstattet - einen Bruchteil der Behandlungskosten. "Eine Praxis kann sich so nicht mehr rechnen."
Aus Protest gegen die Reform war Mälzers Praxis am Mittwoch geschlossen. Dafür rief er als Berliner Landesvorsitzender des Berufsverbands der Fachärzte für Orthopädie und Unfallchirurgie (BVOU) in der Bundespressekonferenz zum Aktionstag "Gesundheitspolitik macht krank" auf. In Berlin blieben laut BVOU rund 200 Praxen geschlossen, bundesweit waren es rund 7.000.
Die Kritik entzündet sich an der seit Januar geltenden neuen Honorarordnung für niedergelassene Ärzte. Die Reform sieht vor, dass jeder Mediziner für die Behandlung eines gesetzlichen Versicherten eine bestimmte Geldsumme vorab erhält, ein sogenanntes Regelleistungsvolumen. Dabei ist es es egal, ob der Patient sich die Hand gebrochen oder einen Bandscheibenvorfall hat. Bekam Helmut Mälzer im vergangenen Jahr noch 47 Euro pro Quartal und pro Patient, so sind es im ersten Quartal nur noch 40 Euro, ab April sogar nur noch knapp 30 Euro. "Unser Haushaltsbudget ist um ein Viertel gekürzt", wettert Mälzer.
Noch mehr ärgert ihn allerdings die Intransparenz des neuen Vergütungssystems. Außerdem legen die Krankenkassen den Honorarsatz für die nächsten Monate erst kurz vor Quartalsbeginn fest. "Durch diese extremen Schwankungen in der ärztlichen Vergütung ist eine kalkulierte betriebswirtschaftliche Personalplanung nicht mehr möglich", sagt Mälzer.
Unter den niedergelassenen Berliner Ärzten herrsche großer Informationsbedarf, stellt Annette Kurth, Sprecherin der Kassenärztlichen Vereinigung, fest. "Wir haben im Servicecenter sehr viele Anfragen von besorgten Ärzten." Allerdings könne noch nicht gesagt werden, ob es wirklich zu den hohen Einkommensverlusten komme, da zusätzliche Leistungen wie Vorsorge- oder Ultraschalluntersuchungen und Impfungen gesondert abgerechnet werden. Auch nach Ansicht von Kurth werde für die Regelversorgung der Patienten zu wenig Geld ausgegeben. So würden vor allem große Praxen abgestraft, weil ab einer bestimmten Patientenzahl ein geringerer Honorarsatz gezahlt werde.
Sowohl die Kassenärztliche Vereinigung als auch Mälzers Berufsverband fordern deshalb ein vereinfachtes Honorarsystem. Ähnlich wie bei Privatpatienten solle, so Mälzer, auch dem gesetzlich Versicherten für jede Behandlung eine Rechnung gestellt werden, die die Krankenkasse begleicht.
Bis zur Bundestagswahl planen die Orthopäden und Unfallchirurgen weitere Protestaktionen - ihnen werden sich wohl noch andere Fachgruppen anschließen. So stellt der Berliner Hausärzteverband seine Lage als "genauso dramatisch" dar. Arbeitsniederlegungen seien aber bisher nicht vorgesehen.
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