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■ Gesundheitsreform: Seehofer nimmt sein Werk schrittweise zurückGewundener Rückzug

Es sollte das „Herzstück“ seiner Reform sein. Doch nur einen Sommer lang konnte sich Gesundheitsminister Horst Seehofer (CSU) in seinem Rigorismus sonnen. Hatte er doch im Juni unter erheblichem Widerstand die dritte Stufe der Gesundheitsreform durch den Bundestag gebracht. Der Kern der Reform sieht vor, daß Krankenkassen, die ihre Beiträge erhöhen, automatisch die Zuzahlung der Patienten für Medikamente anheben müssen. Auf diesen Kopplungsmechanismus will Seehofer nun im kommenden Jahr verzichten. Formal begründet er dies mit der notwendigen finanziellen Hilfe für die ostdeutschen Kassen durch die westdeutschen. Das hört sich nach West-Ost-Solidarität an, aber das Argument verbirgt sich in einer Mogelpackung.

Seehofer kümmert sich mitnichten um die defizitären Ost-Kassen, deren Schulden zum Teil durch das fidele Verschreiben zu vieler Medikamente entstanden sind. Den Kassen im Osten laufen die Ausgaben aber auch davon, weil Seehofer die Struktur des damaligen Gesundheitssystems zerschlagen hat. So gab er zum Beispiel den kostengünstigen Polikliniken keine Überlebenschance. Zudem zeigt sich im Osten deutlicher als im Westen, was es bedeutet, wenn immer weniger Beschäftigte mit ihren Beiträgen das Gesundheitssystem finanzieren müssen. Der Osten wird noch auf Jahre hinaus am Tropf des Westens hängen. Den Versicherten drohen auch künftig höhere Beiträge.

Hätte Seehofer aber weiterhin auf die Beitragskopplung seiner Reform gedrungen, würden bald erneut höhere Zuzahlungen für die Patienten fällig. Er konnte nicht ausschließen, daß schon im kommenden Jahr selbst für die kleinste Medikamentenpackung 20 Mark Eigenanteil hätten verlangt werden müssen. Es gehört wenig Phantasie dazu, sich das leise Murren der Patienten und das laute Zetern der Ersatzkassen vorzustellen. Beides fürchtet Seehofer – aus taktischen Gründen. Im kommenden Jahr stehen in Bayern und im Bund Wahlen an. Mit Sicherheit hielte die Koalition diese Proteste schwerlich aus. Deswegen setzt Seehofer die Koppelung der Zuzahlungen an die Beitragserhöhungen vorläufig aus. Am maladen Gesundheitswesen ändert er damit nichts.

Seehofer ist an der finanziellen Konsolidierung des gesamten Systems gescheitert. Nun versucht er die Reform schrittweise und auf gewundenen Pfaden zurückzunehmen. Warum kippt er nicht einfach den gesamten Mechanismus? Zuzahlungen sind ohnehin Bestrafungsrituale, die auch der Regierung nicht mehr in den Kram passen. Annette Rogalla

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