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Gesünder durch Demokratie

■ Probleme für die von der Koalition vereinbarten Gesundheitskonferenzen / Kompetenzen unklar / Bezirksamt Tiergarten schießt quer

Die Idee klingt wie so vieles in den Koalitionsvereinbarungen verführerisch gut: Gesundheitskonferenzen sollen, auf Landes- und Bezirksebene, für die Gesundheitsplanung sorgen. Dezentral sollen die Konferenzen die spezielle gesundheitliche Problematik der einzelnen Bezirke aufdecken. Mittels Zuschüssen, Umverteilung und neu einzurichtenden Stellen, so ist es gedacht, können die anstehenden Probleme dann gezielt gelöst werden. Bislang wurde die Anzahl der Stellen im Bezirk nämlich nicht etwa nach den Bedürfnissen, sondern vielmehr nach der Einwohnerzahl bemessen.

Doch Tiergarten ist bisher der einzige Bezirk, in dem der Termin für eine Gesundheitskonferenz bereits feststeht. Den notwendigen Beschluß faßten die Bezirksverordneten allerdings schon vor der Wahl des rot-grünen Senats. In den meisten anderen Bezirken wurde die Einrichtung einer solchen Konferenz bislang nur andiskutiert, denn: Sinn und Nutzen und vor allem die Kompetenzen der bezirklichen Gesundheitskonferenzen sind heftig umstritten. Der CDU -Gesundheitsstadtrat, Detlef Orwat, hält eine solche Konferenz für „reine Makulatur“. Auch die Krankenkassen selbst zeigen wenig Gegenliebe: Hierbei handele es sich doch lediglich um einen „Meinungsaustausch im kompetenzfreien Raum“ kommentiert Michael Noetzel, Geschäftsführer des Landesverbandes der AOK. Die Kassen hätten „bereits genug Gesprächspartner“.

Selbst Ursula Kleinert (SPD), Staatssekretärin in der Gesundheitsverwaltung, spricht lediglich von einem „Beratungsgremium“. Dessen Aufgaben lägen in der bezirklichen Bestandsaufnahme, um anschließend der Gesundheitskonferenz auf Landesebene Bericht zu erstatten. Denn dort sieht Kleinert die eigentliche Entscheidungskompetenz. Somit landet die Macht wieder in den Händen der Gesundheitsverwaltung - was den Ruf nach Dezentralisierung und kieznaher Politik ad absurdum führt.

In der AL hofft man weiterhin, daß die Vorgaben der bezirklichen Gesundheitskonferenzen zumindest in der jeweiligen BVV Wirkung zeigen. „Wir müssen dahin kommen, daß kein Beschluß gefaßt werden kann, der den Interessen und Vorgaben der bezirklichen Gesundheitskonferenz entgegensteht“, erläutert die Charlottenburger Gesundheitsstadträtin Annette Schwarzenau (AL). Deshalb möchte sie wie auch der Präsident der Berliner Ärztekammer, Ellis Huber, die kommunalen Konferenzen per Gesetz in allen Bezirken installiert sehen.

Doch bis dahin reißt der Knatsch auf Bezirksebene nicht ab: Am 13. und 14.Oktober soll die Gesundheitskonferenz in Tiergarten das erste Mal tagen, doch die bezirkliche Verwaltung stellt sich quer. Vorbereitungen im Hinblick auf eine solche Konferenz gehören nicht zu den Dienstaufgaben, lautet die Begründung der Beamten. Selbst die Ärzte im Gesundheitsamt verweigern ihre Mithilfe. Die Tiergartener CDU wirft der AL vor, die Menschen im Bezirk „erziehen“ zu wollen - zum Beispiel durch die geplante Arbeitsgruppe für Ernährung, in der auch über das Essen in Kindertagesstätten und Schulen diskutiert werden soll. Ernährung, so lautet das Argument der CDU, sei Sache jedes Einzelnen und müsse im trauten Familienkreis geregelt werden.

Um solchen Auseinandersetzungen zu entgehen und nicht der Zähflüssigkeit der Bezirksverwaltung zu unterliegen, wurden aus den Tiergartener Schwierigkeiten in Kreuzberg bereits Konsequenzen gezogen: Im Amtsbereich von CDU -Gesundheitsstadtrat Gerhard Engelmann verzichtet man bei der Planung einer Gesundheitskonferenz auf das Bezirksamt. „Hier ist der Druck der vielen Projekte groß genug, um sich selbst zu organisieren“, erläutert Renate Schröder (AL), die selbst an den Vorbereitungen beteiligt ist. „Neue Armut“, Drogen- und Obdachlosenproblematik bilden den Schwerpunkt der für Oktober oder November geplanten Gesundheitskonferenz. Diese ist laut Schröder nur der Auftakt - langfristiges Ziel soll sein, ein Gesundheitskonzept für Kreuzberg zu entwickeln.

Wie in Kreuzberg wird auch die Gesundheitskonferenz in Tiergarten von einem breiten Spektrum an Initiativen getragen. Diese erstrecken sich dort vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschlands (BUND) über ADFC, Umweltberatungsstellen und Seniorenvertretung bis hin zum Diakonischen Werk. Auch Stadtplaner, niedergelassene Ärzte, Umwelt- und Gesundheitsinstitute sind vertreten. „Umwelt und Gesundheit sind zwei nicht voneinander zu trennende Bereiche“, erklärt Antonia Schwarz (AL), die die Gesundheitskonferenz koordiniert und als Medizinsoziologin wissenschaftlich begleitet.

Zu akuten Problemen sind neben der Bestandsaufnahme auch Lösungsvorschläge gefragt. Den Abschluß der Konferenz bildet dann eine Resolution mit den 10 wichtigsten Forderungen.

Inwieweit diese in die Praxis umgesetzt werden, darauf wagt noch keiner eine Antwort.

Martina Habersetzer

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