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Gestern morgenNach außen hin gelassen, lese ich noch ein bisschen

Ich nehme den ­Termin. Alles kommt mir so sinnvoll vor

Es ist sieben Uhr morgens. Man spürt die Sonne, wie sie aufs Dach scheint. Ich stelle den Ventilator, der vor meinem Bett steht, auf den Schreibtisch. Der Morgen ist so ungefähr, bis ich merke, dass mein Arzttermin nicht erst morgen, sondern schon in zwei Stunden ist. Nach außen hin gelassen, lese ich noch ein bisschen.

Der E-Book-Reader hat die PDF nicht richtig konvertiert. Alle paar Seiten sind Zeilen oder halbe Absätze vertauscht. Inzwischen scheint mir der E-­Book-­Reader eher ein Notbehelf zu sein. Für den ­professionellen Leser in mir ist er praktisch – angeblich liest man ein E-Book bis zu viermal so schnell – für den Literaturfreund ist das eher schlecht.

Schnell denk ich noch an die Hanfparade, die ich wie jedes Jahr besucht habe, und an die Autoren, die sich in allen Zeitungen für eine Legalisierung ausgesprochen haben und dass ihre Texte fast durchgehend mit der Versicherung beginnen, selber nicht zu kiffen; ich denke an die Parolen auf dem Wagen der Linken – „Baut Joints – keine Mauern“ und „Cannabis lol!“ und daran, dass Leute um die 50 gerne schreiben, „lol“ sei ein uncooles Wort von früher.

Wenige Meter vor meinem Haus treffe ich einen früheren Kommilitonen, den ich tatsächlich vor einigen Jahren zuletzt auf der Hanfparade gesehen hatte. Keine Ahnung, ob er noch schreibt. Jedenfalls macht er einen absolut ­frischen Eindruck. Er fragt, wie es mir gehe; ich sage was von der Darmspiegelung. Er antwortet munter, das hätte er auch schon gehabt und sei nicht weiter schlimm.

Der Weg zur Praxis dauert eine halbe Stunde. Alles kommt mir so sinnvoll vor: Ich habe ein patiententypisches Anliegen – Beschwerdelosigkeit –, und deshalb hat man mich hierher bestellt. Während ich durch die Stadt radle, fühle ich mich mit meinen Mitbürgern verbunden.

Die Praxis gefällt mir, die Patienten wirken sympathisch und der Schreibtisch im Zimmer des Arztes ist sehr schön. Ich nehme den erstbesten Termin. Es kommt mir vor wie eine mutige Entscheidung.

Detlef Kuhlbrodt

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